Die Situation für Wiens Radfahrer im Winter hat sich verbessert, sagt Alec Hager von der IG-Fahrrad.

Foto: red/david rennert

Bei anstehenden Projekten für 2012, etwa der Neugestaltung der Mariahilfer Straße und der Parkraumbewirtschaftung, ist die rot-grüne Koalition uneinig.

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Der Wiental-Highway endet beim Verkehrsknotenpunkt Kennedy-Brücke. Ein Ausbau über den Naschmarkt ins Stadtzentrum wird vorerst nicht realisiert.

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Einer der schlimmsten Winter neigt sich dem Ende zu, die Radfahrsaison 2012 kann also beginnen. Doch was können sich die Wiener Radfahrer heuer von der Politik erwarten? Von der rot-grünen Wiener Stadtregierung wird zwar viel über Ausbau und Forcierung des Fahrradverkehrs gesprochen, doch schon bei zentralen Themen wie Umbau der Mariahilfer Straße, Lösung für den Naschmarkt und Verwendung von Geld aus der Parkraumbewirtschaftung driften die Meinungen auseinander. derStandard.at hat bei Politikern und Interessenvertretern nachgefragt.

Beginnen wir mit einer Statistik zum Verkehrsaufkommen in Wien. Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Erhebung der Wiener Linien für das Jahr 2011 ergab, dass nur mehr 29 Prozent der Wege in der Bundeshauptstadt mit dem Pkw zurückgelegt werden. Damit ging die Benutzung von Autos im Vergleich zum Jahr davor um zwei Prozentpunkte zurück. Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel legten um je einen Prozentpunkt zu. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Winter-Radler gestiegen.

Deutlich zufriedenere Radfahrer

Nachdem im vergangenen Winter Beschwerden über die mangelnde Instandhaltung der Radinfrastruktur durch die Medien gegangen waren, hatte die MA 48 (Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark) Verbesserungen im Bereich der Schneeräumung auf Radwegen angekündigt.

"Unser Eindruck ist, dass die Radfahrer diesen Winter deutlich zufriedener waren als früher. Die Hauptrouten waren super geräumt", sagt Alec Hager von der Radlobby IG-Fahrrad im Gespräch mit derStandard.at. Viele Nebenrouten und vor allem Mehrzweckstreifen gegen Einbahnen seien jedoch zeitweise unter Schneehügeln begraben gewesen, hier bestehe noch Aufholbedarf.

Raumumverteilung zentral

Das Jahr 2012 ist für Hager ein Jahr der infrastrukturellen Planung. Das erklärte Ziel der Stadtregierung, den Radverkehr bis 2015 auf zehn Prozent des Gesamtverkehrs zu erhöhen, könne nur durch Raumumverteilung erreicht werden. "Wie kann man Staus auflösen, wie kann man sichere, zentrale Routen für Radfahrer schaffen?", ist für Hager die wichtigste Frage.

Derzeit liegt der Verkehrsanteil der Radfahrer bei sechs Prozent. Das Potenzial, Wien noch mehr als Radler-Stadt zu etablieren, sei definitiv vorhanden, meint der Rad-Lobbyist. Er ist optimistisch und fühlt sich auch von der Politik unterstützt. Entscheidend für die nächsten Jahre sei aber, dass Bauordnungen und die Straßenverkehrsplanung an die Radfahrer denken und sie einbeziehen. Auch wenn das kurzfristig kostenintensiver sei.

Vor allem die Parkraumbewirtschaftung eröffne große Chancen zur Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer, sagt Hager. Einnahmen aus dieser Maßnahme sollten für den Radverkehr verwendet werden. Als aktuellstes Beispiel nennt er die Neugestaltung der Mariailfer Straße, die attraktiver für den Radverkehr werden solle.

Grüne setzen auf Ausbau von Tempo-30-Zonen

Auch der Verkehrssprecher der Wiener Grünen, Rüdiger Maresch, sieht in der Parkraumbewirtschaftung ein wichtiges Instrument, um die ungerechte Aufteilung im Straßenverkehr zwischen Autofahrern und Radfahrern zu korrigieren.

"Nicht einmal 30 Prozent der Wege werden von den WienerInnen tatsächlich mit dem Auto zurückgelegt", sagt Maresch. "Dementsprechend muss Infrastruktur zugunsten von Radfahrern geplant werden." Es sei  aber wichtig, die Fußgänger als schwächste Verkehrsteilnehmer zu schützen -  auch vor Radfahrern. In Neubaugebieten müssten die Bedürfnisse von Radfahrern und Fußgängern gleichermaßen berücksichtigt werden.

Ein wichtiges Vorhaben im laufenden Jahr ist für Maresch der Ausbau von Tempo-30-Zonen im Nebenstraßennetz. Der geringere Tempounterschied zum Autoverkehr erhöhe die Sicherheit von Radfahrern. Auch die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer solle weiter ausgebaut werden.

SPÖ will Benützung der Öffis forcieren

Für Karlheinz Hora, Verkehrssprecher der SPÖ, sollten von der Parkraumbewirtschaftung eher die öffentlichen Verkehrsmittel als die Radler profitieren."Die Zahl der Kfz-Benützer ist fast überall rückläufig, mit Ausnahme von einigen Knotenpunkten. Die Priorität ist also, vor allem weil es hier um die Pendlerströme geht, die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu forcieren", meint Hora zu derStandard.at.

"Das Rad kann auch auf der Straße fahren, es ist kein Problem, vorhandene Straßen zu benutzen", so der SPÖ-Verkehrssprecher. Man solle die Straßen aber attraktiver für Radfahrer machen, etwa durch die Öffnung von Einbahnstraßen, was ohnehin seit langem sukzessive geschehe.

Wie sich die Neugestaltung der Mariahilfer Straße auf den Fahrradverkehr auswirken wird, steht für Hora noch in den Sternen. "Die Frage ist, was ist das Ziel? Eine Fußgängerzone, eine Radfahrerzone oder beides? Heute ist die Mariahilfer Straße sehr radfahrerfreundlich, einzig die Autos stören bzw. behindern die Radler. Eine Fußgängerzone mit Radfahrern bedeutet aber Konflikt."

Wiental-Highway wird vorerst nicht verlängert

Fix ist für beide Parteien, dass die Realisierung des letzten Teilstücks des "Wiental-Highways" bis ins Stadtzentrum vorerst nicht kommen wird. Der 2010 eröffnete Radweg führt von Auhof im äußersten Westen Wiens bis zum Verkehrsknotenpunkt Kennedy-Brücke (U4-Station Hietzing). Die 3,5 Kilometer lange Strecke verläuft - abseits vom Autoverkehr - direkt im Wienflussbett und ist mit den wichtigsten Brücken bzw. Radrouten verknüpft. Das Projekt hatte 5,3 Millionen Euro gekostet. 

"Die Verlängerung des Wiental-Highways ist ein langfristiges Projekt, im Moment hat es aber keine Priorität", sagt der grüne Verkehrssprecher Maresch. Technische Probleme und vor allem der extrem hohe Kostenaufwand würden dem Ausbau derzeit im Weg stehen.

Auch für SPÖ-Verkehrssprecher Hora ist eine Verlängerung derzeit nicht durchführbar: "Zentral ist die Frage, welche Lösung für den Naschmarkt gefunden werden kann. Hier gibt es eine Reihe von ungeklärten Fragen, etwa auf welcher Seite des Flusses man den Radweg ab der Station Pilgramgasse bauen kann."

Positives Resümee des Radfahrbeauftragten Blum

Martin Blum, seit 1. November 2011 Radfahrbeauftragter der Stadt Wien, sieht Wien auf einem guten Weg für Radler. Nach knapp dreieinhalb Monaten Arbeit in der neu geschaffenen Radagentur fällt sein Resümee positiv aus:"Es war ein intensiver Start, die Zusammenarbeit mit dem Magistrat klappt sehr gut, wir sind in die wesentlichen Fragen der Fahrradinfrastruktur eingebunden."

Die Radagentur will mit speziellen Aktionen und Events das Image des Radfahrens zusätzlich aufpolieren. So wird es etwa ein "Fahrradhaus" geben, das von Mitte April bis Ende Oktober eine Anlaufstelle für Radfahrer und Interessierte sein soll. Mit Informationen und Workshops will man Ängste und Vorbehalte abbauen und konkrete Probleme von Bürgern lösen. Im Mai findet eine "Mit dem Rad zur Arbeit"-Aktion statt, im Juli kommt "Mit dem Rad ins Bad": Dabei können Radler ihre Bikes direkt vor Wiener Freibädern zum Service abgeben und nach dem Baden wieder abholen.

"Uns geht es um die Freude am Radfahren, die Individualität, Freiheit, Unabhängigkeit. Die Leute in Wien sollen gerne aufs Rad steigen. Und wenn mehr Radfahrer unterwegs sind, steigt der Druck auf den Ausbau von radfreundlicher Infrastruktur", ist der Radfahrbeauftragte überzeugt. Den Ausdruck "Radfahrsaison" vermeidet Blum, denn schließlich werde ja ganzjährig geradelt. (David Rennert, derStandard.at, 21.2.2012)