Die Rollenverteilung im Pensionsspiel

Das Drama um die Pensionsreform und seine Hauptakteure

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Staatsmann und Manager

Der Bundeskanzler hat zwar im Jänner als Erster die Einsparungsziele der Pensionsreform angesprochen - die von den Betroffenen als grausam empfundenen Details ließ er aber seinen Chefverhandler Martin Bartenstein bekannt geben. Schüssel selber erschien jeweils zu kritischen Punkten der Verhandlungen und gab sich ganz staatsmännisch. So auf dem ÖVP-Parteitag (wo er trotz Kritik der Arbeitnehmer an der Pensionsreform breite Zustimmung bekam), bei den Parlamentsdebatten und bei der Maifeier seiner Partei.

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Hauptrolle

Dem Sozialminister war eigentlich die Hauptrolle der Reform auf den Leib geschrieben - aber vom ersten Entwurf an überließ er das Feld anderen. Haupt begnügte sich damit, die prinzipiellen Notwendigkeiten zu betonen und alle weitere Erklärungen anderen Partei- und Regierungsmitgliedern zu überlassen. Angenehmer Nebeneffekt: Er wird nicht verantwortlich gemacht.

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Regisseure in den Klubs

Herbert Scheibner und Wilhelm Molterer fiel die Aufgabe zu, die Regie über die aus Politprofis und Laienspielern bunt zusammengewürfelte Truppe der Koalitionsfraktionen zu führen. Molterer sprühte stets vor Zuversicht und ignorierte zumindest in der Öffentlichkeit die Unmutsäußerungen der eigenen Parteikollegen. Scheibner dagegen war während all der Verhandlungen vorsichtig optimistisch, ließ aber bis zuletzt den Unzufriedenen in seinem Klub eine lange Leine. Molterer war auch sichtlich stärker inhaltlich involviert, er übernahm es, die Wünsche Schüssels voll zu vertreten und jedes Zugeständnis zähneknirschend hinzunehmen - Scheibner dagegen verkaufte Zugeständnisse als FPÖ-Erfolge.

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Störenfried

Kärntens Landeshauptmann hielt sich wochenlang im Hintergrund, um dann angesichts des wachsenden Unmuts der Bevölkerung über die Härten der Pensionsreform, selber in die Bundespolitik einzugreifen. Starke Auftritte, die vor allem eines bewirkten: Jörg Haider wird wieder als politische Kraft wahrgenommen. Zu diesem Erfolg kommt ein zweiter: Das Protestmonopol blieb nicht dem ÖGB, FPÖ-Wähler glauben wahrscheinlich wieder an ihre Partei.

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Streikfreudige Arbeiterführer

Der "rote" Gewerkschaftsbundpräsident und sein "schwarzer" Vize haben gemeinsam den Unmut der Beschäftigten organisiert und in die beiden größten Streiks der Zweiten Republik kanalisiert. Genützt hat das vor allem dem ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch, der in der Rolle des Arbeiterführers neue Qualitäten gewann - ohne das Risiko, für die Pensionsreform in die Verantwortung genommen zu werden.

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Anders Fritz Neugebauer: Der Beamtengewerkschafter und ÖVP-Abgeordnete hat bei seinen Mitgliedern hohe Erwartungen geweckt, als ÖVP-Politiker muss er aber alles mitverantworten, was die Pensionsreform an Nachteilen bringt. Beiden ist nicht gelungen, die Verhandlungsergebnisse von den runden Tischen als Erfolge der Gewerkschaften oder der Sozialpartner zu deuten. Andererseits wissen die Gewerkschafter, dass sie bei der Harmonisierungsrunde gehört werden müssen.

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Feinspitz

Der SPÖ-Chef hat durch die Pensionsreform Profil und Bewegungsfreiheit gewonnen: Inhaltlich hat die SPÖ die parlamentarische Ablehnungsfront organisiert, taktisch hat sie sich auch für Gespräche mit Freiheitlichen geöffnet.

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Alfred Gusenbauers Spargelessen mit Jörg Haider ist bei der SPÖ-Basis gut angekommen und hat andererseits auch die freiheitlichen "Rebellen" ermutigt, sich einen angenehmeren Partner als die ÖVP vorzustellen.

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Starkritiker

Die wirtschaftspolitische Kompetenz der SPÖ war nach dem Ausscheiden aus der Regierung und noch mehr nach dem Abgang von Rudolf Edlinger angezweifelt worden - aber Christoph Matznetter hat als Budgetsprecher eine Rolle als Star unter den Kritikern der Regierungspolitik gefunden. Ihm ist es gelungen, Pensionsreform und Budgetpolitik allgemein verständlich miteinander zu verknüpfen und soziale Aspekte in die Steuerdiskussion zu bringen.

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Budgetplaner

Finanzminister Karl-Heinz Grasser genießt es sichtlich, keine parteipolitische Rolle mehr spielen zu müssen. Er hat sich in der Diskussion rar gemacht und darauf gewartet, dass die Früchte der Budgetbegleitgesetze seinem Ministerium zufallen. Vorteil dieser Rollenverteilung: In der Öffentlichkeit wird ihm keine Verantwortung angelastet.

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Nachverhandler

Wenn er zustimmt, kann die Materie am nächsten Tag schon wieder Gegenstand neuer Verhandlungen sein: Sigisbert Dolinschek hat seine neue Rolle als Nachverhandler von Haiders Gnaden gefunden. Das macht ihm sichtlich Spaß und es kommt gut an in Kärnten; wie es sonstwo wirkt, vor allem beim Koalitionspartner, ist aus dieser Perspektive egal.

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Experte

Der Sozialrechtsprofessor Theodor Tomandl gilt als Schlüsselfigur bei der Konstruktion der Pensionsreform. Für seinen Rat hatte vor allem die ÖVP ein offenes Ohr. Tomandl betonte nach den vielen Anpassungen, er erkenne keine nachhaltige Reform. Sie sei zwar sozial ausgewogen, die Regierung habe aber letztlich gegenüber den Kritikern zu sehr nachgegeben.

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Effektvolle Nebenrollen

Karl Öllinger und...

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...Peter Pilz haben es fast im Alleingang geschafft, das Umfeld der Pensionsreform auszuleuchten. Öllinger konzentrierte sich auf die Politikerpensionen und die dort üblichen Regelungen für alte Ansprüche, die er genüsslich den ASVG-Änderungen gegenüberstellte. Pilz brachte Pensionsreform und Abfangjägerkauf effektvoll in einen politischen Zusammenhang. Nach Öllingers Berechnungen ist die Letztfassung der Pensionsreform in Summe sogar härter als der Erstentwurf.

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Die Debatte

Die Würfel für den Beschluss der Pensionsreform waren längst gefallen, als sich die Nationalratsabgeordneten der diversen Fraktionen noch immer heiße Wortgefechte um die Qualität des "Jahrhundertwerkes", wie die ÖVP das Gesetzeskonvolut gerne nennt, lieferten. In den Couleurs des Hohen Hauses wurden daneben Wetten abgeschlossen, wann denn abgestimmt und ob vom Abend noch genug für eine kleine Erfrischung nach den anstrengenden Parlamentstagen bleiben werde.

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Im Plenum hatten sich dagegen vor allem die FP-Abgeordneten einiges anzuhören, denen die Redner der Opposition erzürnt bis hämisch vorhielten, ihr vollmundiges Versprechen, die Pensionsreform zu verhindern, für minimale Zugeständnisse vergessen zu haben.

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Außer einen "rechtlich wirkungslosen Entschließungsantrag zu einer Pensionssysteme-Harmonisierung am St. Nimmerleinstag" könne sie im Änderungsantrag der Koalitionsparteien keine der Forderungen entdecken, die von der FPÖ als Voraussetzung für die Zustimmung erhoben wurden, meinte etwa die SP-Abgeordnete Melitta Trunk. Ihr FP-Kollege Reinhard Bösch mühte sich sogleich, den Ball an die Opposition zurückzuspielen: Die müsse erklären, warum sie aus den Verhandlungen ausgestiegen sei.

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Blaue Sternstunde

Mit ähnlichen Argumenten versuchte es der Kärntner FPler Sigisbert Dolinschek, der innerhalb einer Woche zwischen Wiener Budgetausschuss und Kärntner Interpretation der dort unterschriebenen Beschlüsse wenigstens zweimal die Meinung über die Pensionsreform gewechselt hat. "Bis in den Abend" habe er, Dolinschek, an Verbesserungen gefeilt und dabei eine Dotation des Härtefonds mit 44 Millionen Euro erreicht. Jetzt könne und werde er guten Gewissens zustimmen, gab sich Dolinschek erleichtert.

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Seine Kollegin Mares Rossmann sprach gar von einer "Sternstunde des Parlaments", was einige SPler zu bösen Anmerkungen über die Auswirkungen der Grazer Wirtshausluft auf die Wahrnehmungsfähigkeit von Gästen und Wirten animierte.

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Zwietracht im ÖGB

Auf derartige Witzeleien wollte sich ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch nicht einlassen: "Die Pensionen werden um zwölf Prozent gekürzt, da können Sie reden, was Sie wollen", schwang er sich für seine Verhältnisse zur Brandrede auf. Und rechnete den Blauen Punkt für Punkt vor, warum ihre so gepriesenen Abfederungen Schwerarbeitern kaum etwas bringen.

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Nicht vom Rednerpult aus, im hitzig-geflüsterten Zwiegespräch in einer Ecke des Plenarsaals redete Verzetnitsch dann seinem ÖGB-Vize, ÖVP-Abgeordneten Fritz Neugebauer, ins Gewissen. Immerhin hatte der mitgestreikt, gegen die Reform revoltiert - um dann Ja zu sagen.

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Noch Stunden nach dem Zwiegespräch war Verzetnitsch zornig: "Die einstimmige Beschlusslage im ÖGB und in der Beamtengewerkschaft war anders. Das wird Neugebauer erklären müssen." Verzetnitschs roter Kollege Rudolf Nürnberger knurrte: "Es wird eine Diskussion geben." (DER STANDARD, Printausgabe 12.6.2003)

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