Am Samstag schien im Vatikan die Welt wieder in Ordnung. Chormusik erfüllte den Petersdom, der Purpur der Kardinäle sorgte für eine farbenprächtige Kulisse, die uralte Zeremonie des Konsistoriums zog tausende Gläubige an. Die Besorgnis über die jüngsten Indiskretionen und Intrigen aber konnte sie nur für einen Tag verdrängen. Der ansonsten eher spröde Vatikan-Sprecher Federico Lombardi ließ sich eine originelle Formulierung der jüngsten Enthüllungen einfallen: Vatileaks. Er räumte ein, dass es sich um ein "echtes Problem" handle, man sich aber dadurch nicht entmutigen lassen werde. Man werde sich nicht "in den Strudel der Verwirrung ziehen" lassen.

Während der Vatikan fieberhaft nach den Maulwürfen im Staatssekretariat fahndete, publizierte die Zeitung Il Fatto letzte Woche ein neues Dokument über angebliche Geldwäsche durch die Vatikanbank IOR. Wurden die geheimen Unterlagen wirklich an die Medien verkauft, wie La Repubblica erfahren haben will? Oder ist deren Preisgabe Teil einer Intrige gegen den ungeliebten Staatssekretär Tarcisio Bertone? Kein Zweifel: Der 77-Jährige hat viele Gegner. Zu ihnen gehört der umtriebige Kardinal Mauro Piacenza, Präfekt der mächtigen Kongregation für den Klerus. Der 68-Jährige, ein Kenner der Ränkespiele der Kurie, will Bertone als Staatssekretär nachfolgen.

Presseklage gegen TV-Sender

Dass die Indiskretionen über Machtkämpfe und Intrigen den Vatikan hart treffen, zeigt die Änderung seiner Kommunikationsstrategie. Keine andere Institution verfügt im Totschweigen über so lange Erfahrung. Jetzt drohte der Heilige Stuhl dem TV-Sender La7 erstmals mit einer Presseklage. Wortreich dementiert Lombardi jede neue Indiskretion als böswillige Erfindung jener, die "die Erneuerung der Kirche sabotieren wollen." Der deutsche Kardinal Walter Kasper spricht aus, was viele denken: In der Kurie herrsche "schlechter Stil und Mangel an Loyalität". Den Papst müsse "tiefe Trauer befallen, wenn er sieht, wie seine Aufbauarbeit zerstört wird". Ein Insider bezeichnet das Staatssekretariat als "byzantinischen Apparat, der ineffizient regiert wird". Dort herrsche "akutes Managementdefizit". (mu, DER STANDARD-Printausgabe, 20.02.2012)