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New Yorks Erzbischof Michael Timothy Dolan (li.) wird als einer der Neuen im Kardinalskollegium begrüßt.

Foto: Andrew Medichini/AP/dapd

Das feierliche Konsistorium im Petersdom wurde nach einem neuen, vereinfachten Ritus durchgeführt. Der Papst verkündete die Namen der 22 neuen Kardinäle, setzte ihnen das rote Birett auf, wies ihnen Titelkirchen in Rom zu und überreichte ihnen gleichzeitig den Kardinalsring. In seiner Predigt forderte er die neuen Purpurträger auf, in der Leitung der Weltkirche eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Sie müssten herausragende Diener der Kirche sein, die "nicht der weltliche Stil der Macht und der Herrlichkeit" präge.

Als deutliche Absage an immer wieder kursierende Rücktrittsgerüchte wurde der Schlusssatz des Papstes interpretiert: "Betet auch für mich, damit ich das Steuer der heiligen Kirche mit milder Bestimmtheit führen kann." Mit dem vierten Konsistorium im Pontifikat Benedikts erhöhte sich die Gesamtzahl der Kardinäle auf 213. Die Zahl der Wahlberechtigten (unter 80 Jahren) ist auf 125 angestiegen und hat damit die von Paul VI. festgelegte Höchstgrenze überschritten. Allerdings werden bereits heuer mehrere Kardinäle wegen der Altersregelung wieder ausscheiden.

Entgegen allen Ankündigungen und Prognosen bestätigt Joseph Ratzingers jüngstes Konsistorium eine unbestreitbare Tendenz: Es stärkt das Gewicht Europas, wo die Relevanz der Kirche abnimmt, und schwächt den Einfluss Lateinamerikas, wo weltweit die meisten Katholiken leben. Obwohl der Papst gerade erst von einer Reise nach Benin zurückgekehrt ist, scheint auf der Liste der neuen Kardinäle kein einziger Afrikaner auf. Und obwohl Benedikt XVI. in Kürze Kuba und Mexiko besucht, findet sich kein residierender lateinamerikanischer Bischof unter den Purpurträgern.

Der Norden der Welt stellt in Zukunft im exklusiven Gremium mit 83 mehr als doppelt so viele Vertreter als Asien, Afrika und Lateinamerika zusammen. Gut die Hälfte sind Europäer. Wie in früheren Jahrzehnten wächst der Einfluss Italiens und der römischen Kurie. Unverhältnismäßig scheint vor allem das Gewicht der Italiener, die nun mit 30 Mitgliedern fast ein Viertel des Konklaves stellen und damit bei der Papstwahl ein entscheidendes Wort mitreden.

Der Anteil der Vertreter der Kurie (Leitung und Verwaltung der Kirche) ist unter dem Pontifikat Ratzingers auf 41 Prozent angestiegen - unter Johannes Paul II. waren es 29 Prozent. Benedikt XVI. wird demnächst 85 und hat mit Ausnahme einer Hüftarthrose keine gesundheitlichen Probleme. Doch langfristig formieren sich im Kardinalskollegium Koalitionen für eine zukünftige Papstwahl. Derzeit gilt der neue Mailänder Erzbischof Angelo Scola als aussichtsreichster Kandidat. Viele außereuropäische Kardinäle wünschen sich dagegen den Argentinier Leonardo Sandri oder den Kanadier Marc Quellet als zukünftigen Papst.

In der ersten Versammlung nach dem jüngsten Konsistorium meldeten sich 27 Kardinäle zu Wort, unter ihnen der Wiener Christoph Schönborn. Viele übten Kritik am Führungsstil der Kurie, der das Ansehen der Kirche beeinträchtige. Andere bemängelten die Beförderung italienischer Bischöfe, die Staatssekretär Tarcisio Bertone nahestehen. Dagegen sei etwa der Erzbischof von Manila, Luis Antonio Tagle, nicht berücksichtigt worden, obwohl auf den Philippinen mehr als 100 Millionen Katholiken leben.

Kritiker vermissen unter den neuen Kardinälen eine Reihe von Erzbischöfen, deren Sitz traditionell mit der Kardinalswürde verbunden ist wie Buenos Aires und Philadelphia. Dagegen wird mit dem Erzbischof von Hongkong, John Tong Hon, erstmals ein Chinese am Konklave teilnehmen. Zu den Überraschungen der jüngsten Kardinalkür gehört der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki, der weitaus jüngste des Kollegiums: "Dass ich mit 55 jung sein soll, ist für mich gewöhnungsbedürftig." (DER STANDARD-Printausgabe, 20.02.2012)