Am Samstag wurden 22 neue Kardinäle im Petersdom von Papst Benedikt XVI. mit der Würde und der Bürde ausgestattet, in nicht allzu ferner Zukunft seinen Nachfolger in einem Konklave zu wählen.

Die Zeremonie verdeckt für ein paar Tage die tiefen Probleme, mit denen der Papst konfrontiert ist. Der weltweite Missbrauchsskandal hat die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schwer erschüttert. 2011 haben sie Korruptionsverdächtigungen zum zweiten Mal in den letzten Jahrzehnten erfasst. Seit Frühjahr des Vorjahres ist Benedikt durch den Brief eines Erzbischofs der Kurie informiert, im Herbst erreichten die Korruptionsvorwürfe die Öffentlichkeit.Carlo Maria Vigano, aus einer Mailänder Industriellenfamilie stammender Erzbischof, hatte als neuer Verwaltungschef die "Betriebsbilanz" des Vatikans in den Jahren 2009 und 2010 von einem Minus in Höhe von elf Millionen Euro in ein Plus von 20 Millionen verwandelt. Durch Kürzung der Ausgaben, aber auch durch die Streichung dubioser "Projekte".Die Korruption wollte er via Papst persönlich abstellen. Doch ehe er dies konnte, wurde er im November 2011 mit der "verantwortungsvollen Aufgabe" betraut, ab Jänner 2012 die Nuntiatur in Washington, D. C. zu führen. Seitdem jagt in Rom ein Gerücht das andere. Denn vor allem die Vatikanbank IOR, über die die Geschäfte des Gottesstaates laufen, ist ein beliebter Platz, auch profanes Geld in einer Art Finanzsakristei zu bunkern.Die Vorgänge erinnern an einen in seinen Dimensionen viel, viel größeren Finanzskandal im vergangenen Jahrhundert. Der Freimaurerloge rund um den sizilianischen Bankier Michele Sindona gehörten auch hohe Würdenträger wie Kardinalstaatssekretär Jean Villot und der Finanzchef des Vatikans, Erzbischof Paul Marcinkus an. Sindona wurde einige Jahre später in seiner Gefängniszelle vergiftet, Marcinkus, mit dem er den Vatikan um Milliarden erleichtert hatte, von Papst Johannes Paul II. nach Chicago " entsorgt". Der Kurzzeitpapst Albino Luciani hingegen hatte Villot am Vorabend seines Herztodes über weitreichende Änderungen in der Kurie informiert.

Bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 herrschte trügerische Ruhe. Internationale Finanzgrößen wie Philippe de Weck aus der Schweiz halfen dem Vatikan, die Geldkrise zu überwinden. Aber in Rom gab es einen Mann, der mehrere Jahrzehnte alle ihm zugänglichen Fakten penibel aufgezeichnet hatte.

Renato Dardozzi, zuletzt Kanzler der vatikanischen Akademie der Wissenschaften, hatte Gianluigi Nuzzi, Journalist bei Panorama, sein Archiv überlassen. Nuzzi machte daraus 2009 das Buch "Vaticano S.p.A. (deutsch: Vatikan AG, bei Ecowin). Eine der positiven Auswirkungen: Die IOR-Geschäfte wurden den Regeln von EU und Europäischer Zentralbank unterstellt. Negativ: Piero Pioppo, Prälat im IOR und Informant des Papstes, wurde 2008 von einem Tag auf den anderen mit der Leitung der Nuntiatur in Kamerun betraut, eine undichte Stelle damit gestopft. Die alten Seilschaften sind also intakt. (DER STANDARD-Printausgabe, 20.02.2012)