Brüssel/Wien - Nach neuen Sparzusagen kann Griechenland auf die Rettung vor der Staatspleite in letzter Minute hoffen. Das seit langem geplante zweite Hilfspaket von mindestens 130 Mrd. Euro wollen die Euro-Finanzminister heute Montag in Brüssel auf den Weg bringen. Am Wochenende äußerten sich Österreichs Finanzministern Maria Fekter (ÖVP) zuversichtlich, ebenso ihr deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble sowie EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Über Details muss aber noch verhandelt werden. Laut Fekter wird insbesondere noch "intensiv" über die Kontrollmechanismen gesprochen, wie sie in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag sagte.

Griechenland hatte zuvor wesentliche Bedingungen der Euroländer erfüllt. Dazu gehörte die Zustimmung des Parlaments und der Chefs der großen Parteien zu den Sparzielen sowie zusätzliche Sparmaßnahmen von 325 Mio. Euro. Die Athener Regierung verabschiedete am Samstag auf einer Sondersitzung eine Reihe von Gesetzesentwürfen zur Anwendung des von der EU verlangten Sparkurses. So werden höhere Pensionen gekürzt und die Mindestlöhne gesenkt.

Das Hilfspaket sei "ganz streng an Auflagen gekoppelt", betonte auch Finanzministerin Fekter. Für sie ist es "alternativlos, dass sich Griechenland wettbewerbsfähig macht". Einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone schließt sie aus. Ein anderer Weg wäre "mühsam", würde "viel, viel" Geld kosten, denn die Schulden blieben auch bei einer Rückkehr zur Drachme bestehen.

Schärfere Kontrollen

Das Hilfspaket ist auch Voraussetzung für den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen. Dadurch sollen Athens Schulden um rund 100 Mrd. Euro sinken. Als Gegenleistung für neue Milliardenkredite muss sich Athen einer schärferen Kontrolle unterwerfen. Dem Vernehmen nach hat Athen eine zentrale deutsche Forderung akzeptiert. So werden die Finanzminister am Montag voraussichtlich beschließen, ein Sperrkonto zur Rückzahlung von Krediten einzurichten.

Darauf soll ein Teil der Staatseinnahmen fließen, der für Zins und Tilgung der neuen Kredite verwendet wird - und den Athen nicht mehr für andere Ausgaben nutzen kann. Damit gibt die Regierung faktisch einen Teil ihrer Haushaltssouveränität ab. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, in der Eurogruppe bestehe Einigkeit darüber, dass es ein solches Sonderkonto geben wird. "Das Konto stellt eine Priorität für den Schuldenabbau sicher", sagte er dem "Tagespiegel". Weitere Überwachungsmaßnahmen würden beraten, hieß es in Brüssel.

Die Idee eines Sparkommissars, der über die Einhaltung der Beschlüsse wacht, scheint aber vom Tisch. "Darüber wird nicht diskutiert", sagte Griechenlands Regierungschef Loukas Papademos. Es gebe bereits Mechanismen zur Überwachung der Sparzusagen.

Beim Schuldenschnitt gibt es bereits eine grundsätzliche Einigung. Der tatsächliche Effekt ist aber noch offen, weil nicht klar ist, wie viele Gläubiger bei dem Forderungsverzicht tatsächlich mitziehen. Wenn nicht genügend von ihnen mitmachen, ist es wahrscheinlich, dass Athen diese Gläubiger per Gesetz über eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen dazu zwingen könnte.

Damit die Notenbanken und die Europäische Zentralbank (EZB) - die milliardenschwere Griechenland-Anleihen halten - von dem erzwungenen Schuldenerlass nicht betroffen sind, tauschen sie ihren Bestand an griechischen Anleihen in neue Papiere mit anderen Kennnummern um.

Zweifel, ob Maßnahmen ausreichen

Allerdings gibt es noch Zweifel, ob die Hilfsmaßnahmen für Athen ausreichen. Hinter den Kulissen werden die Euro-Finanzminister auch über zusätzliche Maßnahmen diskutieren, um Griechenland zu einem tragbaren Schuldenniveau zu verhelfen. So könnte etwa die Zinsmarge für die Rückzahlungen aus dem ersten Hilfspaket für Athen gesenkt werden. Bereits im Mai 2010 hatten die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland mit Krediten von 110 Mrd. Euro vor der Staatspleite bewahrt.

Schäuble appellierte an die griechische Regierung, Hilfsangebote anzunehmen. "Wir stehen seit geraumer Zeit bereit, den Griechen mit Finanzbeamten beim Aufbau einer effizienteren Steuerverwaltung zu helfen. Das Angebot wird bis heute nicht genutzt", sagte Schäuble dem "Tagesspiegel".

Die "Welt am Sonntag" schrieb unter Berufung auf ein internes Arbeitspapier des deutschen Wirtschaftsministeriums: "Eine vorläufige Bilanz des deutschen Unterstützungsangebotes fällt ernüchternd aus". Das Papier zähle Beispiele auf: So verliefen die Gespräche über den Aufbau einer Förderbank nach dem Vorbild der deutschen KfW nur schleppend. Die Fachleute forderten daher, die EU-Kommission solle die verbesserte Zusammenarbeit mit der EU-Task-Force "in den Anforderungskatalog für das zweite Griechenland-Hilfspaket aufnehmen."

"Fass ohne Boden"

Vize-Kommissionspräsidentin Reding indes warnte in einem Interview mit dem "Kurier" davor, Gelder in ein "Fass ohne Boden" zu schütten. Sie ist jedoch "zuversichtlich, dass sich die Euro-Finanzminister morgen auf das neue Rettungspaket verständigen werden. "Aber unter Bedingungen". Die Griechen sollen ihrer Meinung nach "nicht Sündenböcke außerhalb Griechenlands für ihre Misere verantwortlich machen", sondern sich auf den Neuaufbau ihres Staates konzentrieren. "Deutschland hat schon sehr viel an Griechenland gezahlt. Jetzt braucht es eine Gegenleistung, sonst wird die Solidarität müde", wird sie zitiert.

Unteressen protestierten wieder tausende Griechen gegen die Sparmaßnahmen. Am Sonntag folgten nach Rundfunkberichten etwa 3.000 Menschen einem Aufruf der Gewerkschaften zu einer Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt. "Die Sparbeschlüsse bedeuten eine Provokation für die Arbeiter, die Arbeitslosen und die Rentner", betonte der Vorsitzende des griechischen Gewerkschaftsverbandes, Jannis Panagopoulos. "Die Löhne und Pensionen werden gekürzt, die Rechte der Arbeitnehmer werden beschnitten, und es wird gegen die Tarifverträge und gegen die Verfassung verstoßen." Vergangene Woche waren die Proteste um einiges heftiger ausgefallen. Cafes, Geschäfte, Banken und historische Gebäude standen in Flammen als das Parlament über die 3,3 Mrd. Euro an Einsparungen zustimmte. (APA/Reuters)