Stuttgart/München - Der Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn betonte , dass Griechenland durch das Sparprogramm nicht wettbewerbsfähig werden kann. Wenn man Griechenland zumute, durch ein Sparprogramm die Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, werde das Land zerbrechen, sagte Sinn der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagausgabe) laut Vorabbericht. "Da können die Politiker Europas zehnmal etwas anderes sagen. Bestimmte Dinge sind ökonomisch nicht möglich." Im Gegenzug für weitere Finanzhilfen muss Griechenland weitere Milliarden-Einsparungen vornehmen.

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts sagte, Griechenland habe bisher mit seinen Sparbemühungen nichts erreicht. Sinn hält einen Rückgang der Preise um 31 Prozent für nötig. Wer den Griechen wirklich helfen wolle, sollte ihnen die geplanten 130 Milliarden Euro des zweiten Rettungspakets lieber als Hilfe für den Austritt geben. Nur die Rückkehr zur Drachme erlaube die Abwertung und erleichtere es dadurch den Unternehmen, konkurrenzfähig zu werden. "Das Beharren auf den falschen Preisen ist das Hauptproblem der Euro-Zone. Daran kann sie zerbrechen", sagte Sinn.

Für die Zukunft der angeschlagenen Südländer Spanien, Italien und Portugal gab sich der Ifo-Präsident wenig zuversichtlich: "Die südeuropäischen Euro-Länder sind der Lösung der Probleme kein bisschen nähergekommen." Auch für die Euro-Zone ist Sinn wenig optimistisch: "Der Zug ist in Richtung Transferunion abgefahren. Die Rettungsschirme werden in Kürze verbraucht sein. Deutschland wird einen erheblichen Teil seines Auslandsvermögens verlieren."

Schäuble lobt Italien

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht unterdessen Italien bei der Bekämpfung der Schuldenkrise auf einem guten Weg. "Italien ist dabei, unter Führung von Ministerpräsident Mario Monti große Fortschritte zu machen und Vertrauen zu gewinnen", sagte Schäuble am Freitagabend bei einer Veranstaltung der "Stuttgarter Nachrichten". Griechenland hingegen sei noch nicht so weit. Schäuble kritisierte das Verhalten der griechischen Politiker im Zusammenhang mit dem zweiten Hilfspaket über 130 Milliarden Euro, für das die EU-Finanzminister am Montag grünes Licht geben wollen. "Die Verzögerungen sind ausschließlich in Athen verursacht." Es seien noch einige Punkte offen, die geklärt werden müssten.

Schäuble kündigte eine strenge Kontrolle der EU-Auflagen an. Zugleich drängte er auf rasche Privatisierungen. "Der Staatsanteil an der griechischen Wirtschaft ist zu hoch." Deshalb sei die griechische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig. Der CDU-Politiker äußerte Verständnis für die Proteste der Bevölkerung gegen die harten Einschnitte: Natürlich leide der Durchschnittsbürger in Griechenland.

Schäuble hob die besondere Rolle Deutschlands bei der Bewältigung der Euro-Krise hervor. Die Finanzmärkte schauten praktisch nur auf Deutschland. Der Minister warnte vor Scharfmachern in der aktuellen Diskussion. Griechenlands Staatspräsident Karolos Papoulias hatte Kritik an einer Bevormundung durch Deutschland geäußert. In Athen wird seit Wochen auf die öffentlichen Zurechtweisungen deutscher Politiker empfindlich reagiert. Medien zogen sogar Vergleiche mit dem Größenwahn des Nazi-Regimes. Mit solchen Anfeindungen müsse man leben, so Schäuble.

 (APA/Reuters)