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Forschungsfelder A bis G (im Uhrzeigersinn) des türkischen Mineralölunternehmens TPAO.

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Erdgas schafft nicht nur Wärme und eine Menge Geld, sondern auch politische Allianzen. Jüngstes Beispiel: Zypern und Israel. Premierminister Benjamin Netanjahu schaute am Donnerstag in Nikosia vorbei – erster Besuch eines israelischen Regierungschefs überhaupt (52 Jahre nach der Unabhängigkeit der Insel immerhin) -, und es ging um Gas, aber dann auch irgendwie um die Türkei, die am Vortag per Erklärung des Außenministeriums in alle Richtungen drohte: "Die Türkei wird unter keinen Umständen ausländischen Erdölunternehmen erlauben, ungenehmigte Öl-/Gas-Erforschungen durchzuführen."

Erklärung: Zypern (griechisch-zypriotisch) hat 150 Kilometer vor der Küste Erdgas gefunden in einem Gebiet, das als Sonderwirtschaftszone von allen Staaten anerkannt wird mit Ausnahme der Türkei. Die behauptet, der Kontinentalsockel des Landes reiche akkurat in Gas- und Ölfelder, die von der zypriotischen Regierung festgelegt und nun ausgeschrieben wurden – die "sogenannten Blöcke 1, 4, 5, 6, 7", die türkische Regierung benutzt für "ihre" Blöcke Buchstaben. Israel wiederum hat auch Erdgas gefunden, und zwar gleich in der Nähe von Block 19 der Zyprioten, ist damit auch mit von der Partie und – ein offenes Geheimnis – schützt die Bohrungen der Zyprioten militärisch gegen die Türkei.

Block 19 – führt auch den Namen "Aphrodite" – soll 141 bis 226 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten (5-8 trillion cubic feet), wie das Minerölunternehmen Noble aus Texas im Dezember 2011 offiziell nach Probebohrungen erklärte. Sogenannte "Appraisal Drillings" werden dieses Jahr noch durchgeführt, die Förderung und Vermarktung wird aber wohl Zeit bis 2020 in Anspruch nehmen. Seither aber ist Zypern (griechisch-zypriotisch) trotz Schuldenkrise ganz entspannt und hat die zwölf anderen Blöcke im Süden der Insel diese Woche im europäischen Amtsblatt ausschreiben lassen.

Die Idee ist, schon einmal Unternehmen aus jedem der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder der UNO einen Slot zur Forschung und Ausbeutung zu überlassen, um Ankara gar nicht erst auf die Idee kommen zu lassen, mit Kriegsschiffen vor Zypern herumzuspielen. Noble aus Houston zu engagieren war deshalb kein schlechter Griff. Gasprom hat angeblich bereits Interesse an den nächsten Feldern angemeldet, China und die Briten/Niederländer werden sicher nicht fehlen, ebenso wenig wie Petrobras aus Brasilien, dem BRIC-Kumpanenland der Türkei.

Israel hat ein logistisches Interesse an der Erdgasförderung vor Zypern. Israels bisher entdeckte Gasfelder Leviathan (seit Dezember 2010) und Tamar (2009) müssen irgendwie angeschlossen werden. Eine Pipeline am Meeresboden zur israelischen Küste nach Ashdot in der Nähe des Gazastreifens oder nach Haifa ist eine Option, stellt aber ein Sicherheitsrisiko dar. Denkbar ist eine Pipeline über "Aphrodite" zum zypriotischen Küstenstädtchen Vasillikos, wo eine Anlage zur Gasverflüssigung und ein Terminal zum Export aufgebaut werden könnten.

In Vasillikos kam es im Sommer vergangenen Jahres zur der verheerenden Explosion beschlagnahmter, aber fahrlässig unsachgemäß gelagerter Munition. In Vasillikos steht auch das wichtigste Kraftwerk der Insel (ebenfalls beschädigt durch die Explosion), das wie alle anderen auf Zypern derzeit noch mit Öl befeuert wird, gemäß EU-Auflagen aber ab 2015 auf Gas umgestellt werden müsste.

Die türkische Regierung könnte, wenn nicht durch Kriegsschiffe, dann durch Bohrarbeiten ihres Mineralölunternehmens TPAO den großen internationalen "Run" vor Zypern zumindest stören. Die Türkei hat sich großzügig auch die Blöcke F und G reserviert, die bis vor die Küste des Südteils der Insel minus einer Zwölf-Meilen-Zone reichen. Sie wirft dem EU-Mitglied Zypern vor – im Ankara-Speak "Griechisch-zypriotische Verwaltung" -, mit der Ausbeutung der Gasfelder die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung der Insel zu sabotieren. Die Einnahmen aus den Gasfeldern müssten auch den türkischen Zyprern zugutekommen, sagt die Schutzmacht (40.000 Soldaten im Nordteil, seit 1974 besetzt und finanziert). Das sieht erklärtermaßen auch die Regierung in Nikosia so, ohne allerdings bisher deutlich machen zu können, wie sie diese Einnahmen an die türkischen Zyprer (und nicht an die Einwanderer aus Anatolien) verteilen könnte.

Die Türkei wie Israel schließlich haben nicht die UN-Seerechtskonvention von 1982 unterzeichnet – eine Verpflichtung für EU-Mitgliedsstaaten -, die einem Staat die Einrichtung einer exklusiven Wirtschaftszone von 200 Seemeilen (376 km) erlaubt. Zypern hat dafür mit Israel, Ägypten und dem Libanon die Seegrenzen festgelegt – das libanesische Parlament hat das Abkommen jedoch noch nicht ratifiziert. Israel wiederum streitet mit dem Libanon über die Seegrenze. Es geht um ein Gebiet von rund 850 Quadratkilometern, das an die israelischen potenziellen Alon-Gasfelder reicht.