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Plädiert für eine Anpassung der Grundsteuer an reale Marktwerte: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geht nicht davon aus, dass die EU-Staaten ihre Hilfen für das schwer verschuldete Griechenland in voller Höhe zurückbekommen werden. "Ich würde die Wahrscheinlichkeit eines Abschreibbedarfs größer einschätzen als jene, dass alles punktgenau zurückkommt", sagt er im STANDARD-Interview.

Aufhorchen lässt er auch mit der Ankündigung, dass es 2016 doch noch zu einer Anhebung der Grundsteuer kommen wird. Beim aktuellen Sparpaket konnten sich SPÖ und ÖVP nicht darauf verständigen. Das habe aber nur "technische Gründe" gehabt, weil eine Neubewertung der maßgeblichen Einheitswerte nicht von heute auf morgen umgesetzt werden könne, sagt Mitterlehner.

Die vorgelegten Reformen im Pensionssystem verteidigt der Minister. Geht es nach EU-Sozialkommissar László Andor, könnten schon bald die nächsten Änderungen bevorstehen. In einem Grundsatzpapier wird den EU-Staaten eine parallele Anhebung des Antrittsalters mit der steigenden Lebenserwartung geraten. Betont wird aber, dass das Sache der Einzelstaaten sei. Die Fragen an Mitterlehner stellten Gerald John und Günther Oswald.

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Standard: E-Mails zeigen, dass VP-Funktionäre die Telekom um Geld anhauten. Wie dick ist der Filz

Mitterlehner: Ich kenne dieses Thema nur aus den Medien und kann weder die Echtheit der E-Mails noch deren Inhalt bewerten. Das muss jetzt geprüft werden.

Standard: Es gab offenbar einen Missbrauch eines teilstaatlichen Unternehmens. Hat sich unter Schwarz-Blau nicht eine politisch bedenkliche Kultur entwickelt?

Mitterlehner: Was die damalige Aktivität der Telekom betrifft, ist das sicher eine Kultur, die nicht den Grundsätzen entspricht, die in der Demokratie herrschen sollten. Es entsteht der Anschein einer überdimensionalen Verwicklung mit dem politischen Bereich.

Standard: Hätten bei der Telekom nicht längst personelle Konsequenzen gezogen werden müssen?

Mitterlehner: Die Telekom ist eine AG, sie hat eine internationale Kontrolleinheit eingesetzt. Der Bericht ist vom Aufsichtsrat zu bewerten. Ich bin weder Richter noch sonst in einer Beurteilungsfunktion. Im politischen Bereich wird man über die Parteienfinanzierung diskutieren müssen.

Standard: Das heißt es seit Jahren. Warum verweigert sich die Politik?

Mitterlehner: Das kann ich nicht beurteilen, weil das eine Angelegenheit der Parlamentsklubs ist. Mir wäre natürlich lieber, wenn es schon ein Ergebnis gäbe. Aber der Reinigungsprozess hat auch in Deutschland länger gedauert. Klar ist: Wenn wir das Thema beenden wollen, werden wir Transparenz sicherstellen müssen.

Standard: Apropos Glaubwürdigkeit: Wie seriös ist es, für ein Sparpaket eine Transaktionssteuer zu verbuchen, die erstens unsicher und zweitens schon doppelt bis dreifach verplant ist?

Mitterlehner: Da wir für die Steuer eintreten, ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, sie auch einzupreisen. Einen nationalen Alleingang halte ich aber für sehr problematisch. Sollte die Steuer 2014 noch nicht realisiert sein, muss man andere Maßnahmen treffen.

Standard: Welche?

Mitterlehner: Anders als andere Länder haben wir die letzten Patronen nicht verschossen: Es gibt keine Erhöhung von Mehrwertsteuer oder Mineralölsteuer. Wir brauchen das jetzt auch nicht. Das spricht für das Paket, es ist sozial verträglich. Aber es gibt auch Komponenten, die wir nicht beeinflussen können. Die Konjunktur, die derzeit sehr gut läuft, die Griechenland-Situation ...

Standard: Müssen die EU-Staaten einen Teil ihrer Hilfsgelder früher oder später abschreiben?

Mitterlehner: Ich würde die Wahrscheinlichkeit eines Abschreibbedarfs größer einschätzen als jene, dass alles punktgenau zurückkommt. Die griechische Wirtschaft liegt danieder, es gibt kein Wachstum. Daher muss man den Fokus auf Motivation und Aufbau der Wirtschaft legen.

Standard: Im Budget wurde die Abschreibung aber nicht eingepreist.

Mitterlehner: Im Sparpaket ist das nicht berücksichtigt. Sollte sich hier etwas ergeben, muss man die Konsequenzen ziehen. Man möchte seitens der EU den wirtschaftliche Turnaround erreichen - mit Griechenland in der Eurozone. Da kann sich ein Einzelstaat wie Österreich nicht entziehen.

Standard: Zurück zum Sparpaket: Warum werden bei der Pensionsreform Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer hinausdrängen, weitgehend verschont?

Mitterlehner: Die demografische Entwicklung wird das Hinausdrängen verhindern. Immer weniger junge Leute rücken in den Arbeitsmarkt nach. Das zwingt Unternehmen, ältere Mitarbeiter zu behalten. Außerdem gibt es künftig eine Kündigungsabgabe von 110 Euro, die bei den Unternehmen keine Begeisterung auslöst.

Standard: Älteren hilft der Minibeitrag gar nichts. Andere Staaten setzen auf strenge Pönalen.

Mitterlehner: Wir machen nun einen ersten, sanften Schritt in diese Richtung. Langfristig angelegte Kündigungen verhindert die geplante Abgabe zwar nicht, aber taktische Kündigungen schon. Und mit den 50 Millionen Euro aus der Abgabe finanzieren wir Eingliederungsbeihilfen. Wer ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, soll bis zu 70 Prozent des Lohnes ersetzt bekommen.

Standard: Arbeit ist bereits hoch belastet - doch die Regierung erhöht die Kosten weiter, indem sie Versicherungsbeiträge anhebt.

Mitterlehner: Das Problem wird mitunter übertrieben. In Bereichen wie der automotiven Industrie betragen die Lohnkosten höchstens 15 Prozent. Wenn die Betriebe Lohnerhöhungen bis zu 4,2 Prozent verschmerzen, dann wird eine zusätzliche Marginalbelastung dem Standort nicht schaden. Positiv ist sie aber nicht.

Standard: Warum hat sich die Koalition nicht getraut, stattdessen die Grundsteuer zu erhöhen, die gemessen an den realen Marktwerten lächerlich gering ist?

Mitterlehner: Mit diesem Hinweis haben Sie recht. Verhindert hat die Erhöhung aber niemand, das lag an technischen Gründen. Die Neufeststellung der für die Berechnung maßgeblichen Einheitswerte kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. 2016 soll es aber eine Anpassung an reale Marktwerte geben - auch wenn das nicht alle begeistern wird.

Standard: Sehen Sie den großen Wurf oder braucht es in vier Jahren die nächste Pensionsreform?

Mitterlehner: Der große Wurf ist gar nicht möglich - ich kann ja nicht Menschen knapp vor der Pension abrupt bestrafen. Es geht darum, langfristig Weichen zu stellen, und die weisen in Richtung Rehabilitation und späteren Pensionsantritt. In ein paar Jahren werden wir noch über die raschere Anhebung des Frauenpensionsalters diskutieren. Denn ich kann nicht zuschauen, dass die Menschheit immer älter wird, aber die Österreicher nicht länger arbeiten.

Standard: Große Teile des Pakets sind doch Leistungskürzungen, die nichts am Antrittsalter ändern.

Mitterlehner: Letztlich sind es sanfte Maßnahmen. Dass sowohl aktuelle, als auch künftige Pensionisten etwas beitragen, ist eine gute Kombination. Die Österreicher haben ein sehr relatives Problembewusstsein: echte Einschnitte, wie in vielen anderen Ländern, verspürt noch kein Mensch.

Standard: Sie kommen mit Ihrem politischen Gegenüber, Sozialminister Rudolf Hundstorfer gut aus ...

Mitterlehner: ... weil die Chemie stimmt. Wir haben gemeinsame Prinzipen - etwa dass wir uns nicht gegenseitig öffentlich kritisieren. Der Philosoph Paul Watzlawik hat Streitenden empfohlen, der Gegenseite die Möglichkeit zu geben, das Problem darzustellen. Als Sozialpartner kennen wir die Grenzen und Belastbarkeit der anderen Seite ganz genau. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2012)