Ewig schade, dass Fasching in Österreich und Karneval in Deutschland schon bald wieder vorbei sind. Dann werden auch keine Karnevalssitzungen mehr im Fernsehen übertragen so wie jene aus Düsseldorf am Mittwochabend in der ARD.

Das war eine wirklich feine Sache, denn so etwas sieht man nur noch ganz selten. Dabei reden wir gar nicht von den müden Scherzen, dem ewig bierseligen "Helau-Geschrei" oder den unsagbar einfallsreichen Kostümen (rote Nasen und große schwarze Brillen).

Es ist vielmehr das Gesellschafts- und Weltbild, das fasziniert. Der Moderator, der mit seiner Narrenkappe durch den Abend führt, ist ein Mann. Bitte, daran kann man sich noch nicht stoßen, weil da sind die Chancen ja bekanntlich 50:50. Entweder es moderiert ein Mann oder eine Frau. Dann marschieren der Reihe nach all jene auf, die Büttenreden zum Besten geben. Lauter Männer, wirklich nur Männer, die meinen, hier etwas zu sagen zu haben. Die Frauen tanzen schweigend und lächeln strahlend - nicht ohne mit ihren körperlichen Reizen zu geizen.

Es erscheint das Prinzenpaar. Natürlich wird der Prinz zuerst vorgestellt. Er spricht deutlich länger als seine weibliche Begleitung. Dass die Chefs der Tänzerinnen Männer sind, versteht sich da schon von selbst.

Zwischen öden Wulff-Witzen wird westdeutsche Überheblichkeit in Reimform gepackt: "Bist du hässlich und aus Sachsen, halt's Maul und lass die Haare wachsen." Männer, die sich aufplustern und über "Ossis" lästern, Frauen, die nur schön sind - willkommen in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre. Anderswo nennt man so etwas Bauerntheater oder Satire. Bei der Karnevalssitzung ist es leider echt. (Birgit Baumann, DER STANDARD; Printausgabe, 17.2.2012)