Money Boy zu Besuch bei Thomas Schäfer-Elmayer in dessen Tanzschule im ersten Bezirk.

Foto: derStandard.at/rwh/burg

Hätte Herr Schäfer-Elmayer das Zeug zum "Swagger"? Money Boy: "Auf jeden Fall."

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Thomas Schäfer-Elmayer, Renate Pokorny: Der Schul-Elmayer. Gutes Benehmen schon jetzt gefragt? Bildungsverlag Lemberger, 2011.

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Tanzschulbesitzer Thomas Schäfer-Elmayer hat ein Buch über gutes Benehmen für Schülerinnen und Schüler veröffentlicht. Gutes Benehmen? Das ist keine Eigenschaft, die man Rapper Money Boy zuschreiben würde. derStandard.at hat die beiden zum Streitgespräch geladen. Wie sollen sich Schüler ihren Lehrern gegenüber verhalten? Warum stärkt es das Selbstbewusstsein, wenn man coole Kleidung trägt? Und was ist eigentlich der Swag, mit dem Money Boy berühmt wurde?

derStandard.at: Herr Meisinger alias Money Boy, Sie sagen, Sie haben den Swag – also eine charismatische, positive Ausstrahlung. Was macht den Swag aus?

Money Boy: Wenn die Rapper über Swag reden, dann meinen sie die Klamotten, Accessoires und einen bestimmten Lifestyle. Viele Leute machen mir Sachen nach, was die Kappen und den Schmuck betrifft. Jeder kann das übernehmen, wenn er sich damit beschäftigt. Es geht auch darum, wie man sich präsentiert und "real" ist. Ich muss zu allem, was ich mache, auch stehen können.

derStandard.at: Können Sie etwas mit dem Wort Swag anfangen?

Thomas Schäfer-Elmayer: Gar nichts, nein, das verstehe ich nicht. Was bewirkt dieser Swag eigentlich? Was bezwecken Sie damit?

Money Boy: Der Zweck der Übung ist, dass sich möglichst viele Leute dem Lifestyle anschließen, den ich cool finde. Ich will ein großes Publikum haben. Und das verbindet viele Leute.

Schäfer-Elmayer: Das klingt ja fast schon missionarisch. Würden Sie es befürworten, dass ich mich Ihrer Bewegung zuwende und "Swaggie" werde?

Money Boy: Natürlich, wenn bekannte Persönlichkeiten das unterstützen, erreicht man viel mehr Leute. Ich erreiche die Jugend, Sie würden Leute erreichen, die ich nicht erreichen kann.

derStandard.at: Sie beschäftigen sich in einer gewissen Weise auch damit, wie Menschen auf Leute wirken, und haben kürzlich ein Buch mit Benimm-Regeln für Schüler und Schülerinnen veröffentlicht. Was bezwecken Sie damit?

Schäfer-Elmayer: Ich verstehe unter gutem Benehmen Respekt, Rücksicht, Wertschätzung, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit. Das äußere Erscheinungsbild sollte gepflegt sein. Es gehört die Hygiene dazu, eine gewisse Körpersprache und die Sprache selbst. Man sollte über einen gewissen Wortschatz verfügen und Taktgefühl haben. Wer dieses Einfühlungsvermögen hat, kann in der jeweiligen Situation optimal agieren. Ich verstehe darunter aber nicht, dass man sich anpassen muss. Es kann sein, dass man sich auch einmal über Benimmregeln hinwegsetzen muss. Sie sind ein Teil unseres Allgemeinwissens. Je mehr Allgemeinwissen man hat, desto besser kommt man durchs Leben.

derStandard.at: Hätte Herr Schäfer-Elmayer das Zeug zum "Swagger"?

Money Boy: Auf jeden Fall. Ich präsentiere mich in Hip-Hop-Klamotten, aber ich lege auch Wert auf schöne Anzüge. Dieser Luxus ist für mich wichtig, und dafür steht Herr Elmayer ja auch.

derStandard.at: Herr Schäfer-Elmayer, Sie wenden sich mit Ihrem Buch explizit an Schüler und sprechen das Verhalten der Schüler gegenüber ihren Lehrern an. Fehlen die Manieren?

Schäfer-Elmayer: Es ist heute schon eine neue Qualität dazugekommen – einfach dadurch, dass die Eltern viel weniger Zeit haben als früher. Sie übernehmen weniger von der Erziehungsarbeit und schieben das an die Schule ab. Die Lehrer haben aber auch keine Zeit dafür, sie müssen den Stoff durchbringen und haben 30 Leute in der Klasse.

Die Einstellung der Eltern ist ganz anders geworden. Wenn ein Kind nach Hause kommt und erzählt: "Heute war der Lehrer böse", war die Reaktion früher: "Was hast du angestellt?" Heute reagieren die Eltern, indem sie sagen: "Dem werde ich es zeigen."

derStandard.at: Wie sollen Schüler gegenüber Lehrern auftreten?

Money Boy: Natürlich sollen die Schüler die Lehrer respektieren. Aber nur dann, wenn sie den Respekt verdient haben. Es gibt ja auch viele schlechte Lehrer, sie brauchen sich nicht wundern, wenn sie von den Schülern keinen Respekt bekommen. Ich war selber kein Musterschüler, habe mich nicht gut benommen. Jede Generation beschwert sich, dass die Jugendlichen kein Benehmen haben. Das wird es immer geben.

Schäfer-Elmayer: Ich habe während meiner ganzen Schulzeit keine einzige Lehrerin gehabt, heute ist der Beruf total weiblich dominiert. Viele Frauen ergreifen den Beruf nicht aus Berufung, sondern weil es praktisch ist, wenn sie eigene Kinder haben. Sie haben in den Schulferien und am Nachmittag frei. Aber das ist natürlich nicht der Sinn der Sache, weil solche Frauen dann sehr schnell überfordert sind, wenn sie das nicht aus innerer Berufung machen.

Money Boy: Ich habe auch den Eindruck, dass das viele Lehrer nicht aus Berufung machen und nicht unbedingt die am besten geeigneten Personen Lehrer werden. Weil die vielleicht dann andere Berufe ergreifen.

derStandard.at: Würden Sie Benimmregeln im Unterricht verankern?

Schäfer-Elmayer: Benimmregeln sind für mich Stützen für die Kommunikation und für ein produktives, konstruktives Miteinander. In dem Moment, wo ich alles passieren lasse, was jeder Einzelne will, kann man nicht konstruktiv arbeiten. Das ist ja nicht nur in der Schule so. Ich habe schon sehr viele Leute im Gastgewerbe unterrichtet. Für einen Kellner muss meiner Meinung nach die wichtigste Eigenschaft Autorität sein. Damit meine ich keinen autoritären Stil, aber eine natürliche Autorität, die Respekt bei den anderen auslöst. Er kann nicht jedem Gast alles durchgehen lassen. Genauso ist das bei den Lehrern. Der muss auch von seiner Person her bei den Schülern so wirken, dass diese in jedem jungen Menschen drinnensteckende Tendenz, frech zu sein, minimalisiert wird – nicht aus Angst, sondern wegen Respekt, Anerkennung und Wertschätzung.

Money Boy: Die Schüler testen ja auch die Lehrer: Wie weit kann ich gehen? Wie reagiert der Lehrer, wenn ich etwas Bestimmtes sage? Wenn der Lehrer dann damit nicht umgehen kann, nicht kontern kann, merken das die Schüler. Die Lehrer haben es natürlich schwerer als jene, die mehr Autorität ausstrahlen.

Schäfer-Elmayer: Schüler sind eben auch keine Engel. Wir hatten einen Musiklehrer, der war fast blind. Die Mädchen waren diejenigen, die ihn bis aufs Blut geärgert haben. Das hat mich geschockt, weil ich immer gedacht habe, die Mädchen sind viel braver als die Buben, aber das stimmt gar nicht.

derStandard.at: Sie beide sind sehr auf die "richtige" Kleidung bedacht. Money Boy, Sie vergöttern Gucci, Prada und Co. – und Herr Schäfer-Elmayer, Sie raten in Ihrem Buch zu Stoffhose und gebügeltem Hemd, wenn man auf eine Party geht. Sie schreiben: "Dein gepflegtes Äußeres ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass andere Menschen dich mögen." Ist diese Haltung von Ihnen beiden nicht ein wenig oberflächlich?

Schäfer-Elmayer: Wir werden sowieso immer an der Oberfläche gemessen, auch das ist oberflächlich. Wir haben keine zweite Chance auf einen ersten Eindruck. Man wird sofort taxiert und eingeordnet. Aus einer Schublade kommt man nicht mehr so leicht heraus. Wir sind alle so programmiert, dass man auf das Äußere schaut.

Money Boy: Es ist oberflächlich, aber für mich hat das keinen negativen Beigeschmack. Es ist nicht schlimm, wenn man oberflächlich ist. Es stärkt das Selbstbewusstsein, wenn man coole Kleidung trägt.

derStandard.at: Und wenn sie nicht so schöne Kleider tragen, bringen Sie diesen Menschen dann weniger Achtung entgegen?

Schäfer-Elmayer: Nein, es geht ja darum, was man zum jeweiligen Anlass trägt. Würden die Leute in Jeans und Pullover zum Opernball gehen, wär es nicht mehr der Opernball, dann wäre das ganze Bild zerstört.

derStandard.at: Sie schreiben, die Kappe auf dem Kopf ist ein Zeichen für schlechtes Benehmen. Benimmt sich Money Boy also alleine schon deshalb schlecht, weil er jetzt eine Kappe trägt?

Schäfer-Elmayer: Es gibt eine Regel, dass ein Mann in einem Raum seinen Hut abnehmen sollte, eine Dame darf ihn aufbehalten.

Money Boy: Ich trage größtenteils Kappen – auch wenn ich in ein schönes Restaurant essen gehe. Ich halte mich nicht an solche Benimmregeln, sie sind mir egal. Das erwartet auch niemand von mir.

derStandard.at: Was macht für Sie gutes Benehmen aus?

Money Boy: Ich mag es nicht, wenn andere Leute sich Urteile anmaßen. Ich würde das nie tun. Wenn mir ein Film oder ein Musikstück nicht gefällt, dann respektiere ich das Werk trotzdem. Im Internet, wo ich sehr präsent bin, sind negative Kommentare und "Hate" weit verbreitet. Außerdem finde ich es nicht gut, wenn jemand ständig Leute um einen Gefallen bittet, ohne dafür etwas zurückzugeben.

derStandard.at: In seinen Liedern schimpft und "disst" Money Boy ziemlich viel, so wie es eben in den meisten Rap-Songs üblich ist. Herr Schäfer-Elmayer, können Sie es nachvollziehen, wie man rüpelhaftes Benehmen zur Kunstform erklären kann?

Schäfer-Elmayer: Es ist immer negativ, wenn man über andere sudert. Es ist leider in Wien so weit verbreitet, dass man mit anderen Leuten so leicht ins Gespräch kommt, wenn man über irgendetwas meckert. Das ganze Gespräch ist dann belastet durch die negative Startphase. Anstatt dass man etwas Nettes sagt, fangen die Leute immer wieder mit diesem Zeug an.

derStandard.at: Wäre für Sie ein Rap ohne Lästern möglich?

Money Boy: Für mich ist das ein Widerspruch. So ist Rap einfach seit 20 Jahren.

derStandard.at: Money Boy trägt eine dicke Kette. Herr Schäfer-Elmayer, Sie haben geschrieben, dass man wie ein Christbaum wirkt, wenn man zu viel Modeschmuck trägt.

Schäfer-Elmayer: Das ist eher auf Mädchen gemünzt!

Money Boy: Ich hatte in meinem letzten Weihnachtslied eine Zeile: "So viel Schmuck, ich sehe aus wie ein Weihnachtsbaum."

Schäfer-Elmayer: Das habe ich aus dem Lied. Ein Plagiat! (lacht)

derStandard.at: Warum stören sich Erwachsene an den Styles der Jugendlichen?

Schäfer-Elmayer: Ich störe mich da überhaupt nicht daran. Jugendliche müssen sich austoben. Wenn einer mit grünen Haaren in die Tanzschule kommt, reden wir überhaupt nicht darüber. Wir verlangen, dass die Burschen mit Anzug, Krawatte und weißen Handschuhen gekleidet sind. Aber gefärbte Haare oder ein Ring in der Nase werden nicht kommentiert.

derStandard.at: Warum ist es wichtig, sich in einem bestimmten Stil zu kleiden?

Money Boy: Weil sich das nicht nur auf den Style beschränkt, sondern Zugehörigkeit ausdrückt. Leute, die einen ähnlichen Style haben, gehören zusammen, sind auf derselben Wellenlänge.

derStandard.at: Waren Sie eigentlich in der Tanzschule?

Money Boy: Nein, das war nie ein Gedanke von mir.

Schäfer-Elmayer: Aber tanzen tun Sie schon? Wahrscheinlich Hip-Hop und nicht Walzer.

Money Boy: Da gibt es andere Dance-Moves. Es gibt auch einen Swag-Dance. Da wird es dann auch ein Video geben. Das möchte ich dann auch in einer Tanzschule drehen. (Katrin Burgstaller, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 16.2.2012)