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Civet-Kaffee erzielt rekordverdächtige Preise.

Foto: Reuters/Stringer

Mara Buan blickt zufrieden über sein Dorf. Der 92-Jährige gehört zu den B'laan, einem indigenen Volksstamm auf Mindanao, ganz im Süden der Philippinen. "Früher haben wir die Tiere gejagt und gegessen", sagt er. Niemand im Ort würde das je wieder machen. Denn die Tiere, von denen Mara Buan spricht, haben den B'laan Wohlstand gebracht.

Es sind nachtaktive Schleichkatzen, Musangs, von denen der alte Mann redet. Sie sind heimisch in den Regenwäldern Asiens und Afrikas. Mit einer europäischen Katze hat das Tier nicht viel gemein. Ein Musang sieht eher aus wie ein großer Marder.

In den Kaffeeplantagen der B'laan fressen die Musangs nachts die rötesten, reifsten und besten Kaffeekirschen. Weil sie aber nur das Fruchtfleisch verdauen können, scheiden sie den Kern, die Kaffeebohne, wieder aus. Gewaschen und geröstet wird aus den Kotbohnen später der teuerste Kaffee der Welt gebrüht.

Für Mara Buans Sohn Marcelo beginnt der Tag morgens um kurz nach fünf. Dann macht er sich zusammen mit seinem Sohn Ruel und dem Schwiegersohn Gerwin auf zur "Ernte". Ein schmaler Trampelpfad führt die drei Männer in den philippinischen Regenwald, durch Farnfelder, vorbei an Urwaldriesen. "Dort oben leben die Musangs", sagt Marcelo Buan, in die Baumkronen deutend. "Und da, hinter dem Busch, beginnt Ruels Plantage."

Dann wandert sein Blick zum Boden, und sie verteilen sich im Urwald, klettern über umgestürzte Bäume und ducken sich unter Sträuchern hindurch. Schon nach wenigen Minuten ruft Gerwin: "Hier drüben." Der 22-Jährige schiebt ein paar Blätter zur Seite und hebt feuchte, grünliche Kaffeebohnen auf. "Das hat ein Musang heute Nacht ausgeschieden", erklärt er. Sorgfältig verstaut Gerwin die Handvoll Kaffeebohnen in seiner Hemdtasche.

Eine Tasse um mehr als 50 Euro

Die Darmflora der Katze soll eine entkoffeinierende Wirkung haben. Charakteristisch für Kaffee Alamid, Kaffee Balos, Civet-Kaffee oder Kopi Luwak, wie die indonesische Variante heißt, ist der fehlende bittere Nachgeschmack. Der milde, nussig-erdbeerig schmeckende "Katzen-Kaffee" und seine Rarität bringen mit sich, dass für eine Tasse davon in New York, London oder Tokio Preise jenseits der 50 Euro zu zahlen sind.

Regional unterscheidet sich die Katzenkaffeeherstellung erheblich. Der Kaffee aus Indonesien stammt meist aus Käfighaltung. Dagegen lebt die Schleichkatze auf den Philippinen komplett wild. Den Wildkatzen bleibt es selbst überlassen, mit ihrem feinen Geruchssinn wirklich nur die besten Kirschen auszuwählen.

Bis vor rund zehn Jahren war den B'laan völlig unbekannt, dass sie etwas derart Wertvolles direkt vor ihrer Haustüre haben. Bis Fred Fredeluces, Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation, in ihrer kleinen Siedlung aufgetaucht ist. "Ich habe die Armut gesehen und den Menschen erklärt, sie seien reich", sagt Fredeluces heute. Für ihn ist es eine Win-Win-Situation. Er hat sich selbstständig gemacht; den Kaffee, den er vertreibt, bezieht er von den B'laan. Als ganze Bohne oder gemahlen exportiert er den Grundstoff für den edlen Tropfen nach Japan; mit Korea verhandelt er gerade. Danach will er weiterexpandieren, sagt der Entwicklungshelfer, Unternehmer und Pfarrer.

Der Traum von der Uni 

Fredeluces hat den B'laan bescheidenen Wohlstand, Bildung und das Christentum gebracht. Zehn Jahre nachdem das indigene Volk den Kaffee aus der Katze entdeckt hat, sprechen alle Kinder Englisch. Jeder unter 24 hat eine weiterführende Schule besucht, manche gar die Universität. Davon konnten sie lange nur träumen. Bildung war unerschwinglich. "Ich habe die ersten Einnahmen aus dem Kaffeeverkauf für die Ausbildung meiner Kinder gespart", erklärt Marcelo Buan stolz.

Vorher seien Alkoholprobleme weitverbreitet gewesen, erzählen die Älteren im Dorf. Doch mit dem Kaffee habe sich das alles geändert. Und das Kaffeegeschäft ist im Aufwind. Jedes Jahr wird der Ertrag etwas mehr. 2006 haben sie zum ersten Mal geerntet. 500 Kilo Civet-Kaffee waren es damals, im Vorjahr war es das Vierfache. Der Civet-Kaffee macht nur rund zehn Prozent der Kaffeeernte aus. Der Rest sind herkömmliche Bohnen, meistens Arabica.

Nach fünf Stunden kommen die Männer aus dem Urwald zurück. Im Dorf angekommen, legen sie die gesammelten Bohnen zum Trocknen in der Sonne aus. Dann genehmigen sie sich einen Morgenkaffee, einen aus der Katze selbstverständlich. (Malte E. Kollenberg aus Manila, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.2.2012)