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Die Organgröße ist ein wichtiges Kriterium, das es vor einer Transplantation zu beachten gilt.

Foto: APA/Jan-Peter Kasper

Magen, Leber, Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm und Dickdarm waren bei einem neunjährigen Mädchen in den USA von einem aggressiven Tumor befallen. Anfang Februar erhielt die Patientin in einer 14-stündigen Operation alle sechs Organe neu verpflanzt. Ein seltener Eingriff - der eines zeigt: Der Transplantationschirurgie sind kaum noch Grenzen gesetzt. Das bestätigt auch Johann Pratschke, Leiter der Transplantationschirurgie an der Innsbrucker Uni-Klinik, räumt allerdings ein: "Eine Operation, in der Bauch- und Brustorgane transplantiert werden, ist zwar möglich, aber sehr anspruchsvoll und risikoreicher." 

Nach dem heutigen Stand der Medizin können prinzipiell alle Bauch- und Brustorgane transplantiert werden. Sinnesorgane hingegen bereiten nach wie vor Probleme: Eine komplette Transplantation von Ohren und Augen ist nicht möglich. 

Organgröße muss passen

Ein geeigneter Spender muss nicht zwingend gleich alt sein wie der Empfänger. Entscheidend ist vielmehr die Organgröße, die wiederum vom Körperbau abhängt. Generell gilt: Ein proportional zum Körper zu kleines Organ leistet nicht genug, ein im Verhältnis zu großes Organ hat zu wenig Platz im Empfänger. 

Wenn jedoch die Größe passt, können Erwachsene Kindern Organe spenden und Kinder umgekehrt theoretisch Erwachsenen. In der Praxis kommt Zweites allerdings selten vor, weil viele junge Empfänger auf einen Spender warten.

Ein 40 Kilogramm schwerer Erwachsener kann demnach einem zwölfjährigen Jugendlichen mit dem gleichen Gewicht seine komplette Leber spenden, ein kleiner 30-Jähriger kommt für einen Dreijährigen als Nierenspender in Frage. Anders als bei Herz- und Lungentransplantationen kann die Größe der transplantierten Leber angepasst werden: Ist kein idealer Spender in Sicht, wird oft ein Teil der Leber eines Elternteils übertragen. 

Neben der Organgröße müssen Empfänger und Spender die gleiche Blutgruppe besitzen. Insbesondere bei Nierentransplantationen sind zusätzliche Gewebemerkmale (HLA-Werte, humanes Leukozytenantigen-System, Anm.) relevant, die vererbt werden. Je ähnlicher die HLA-Werte, desto geringer das Risiko einer Abstoßung. 

Der heilige Gral

Dass der Empfänger aufgrund einer Abstoßung sein neues Organ verliert, ist heute allerdings sehr selten. Da in den letzten Jahren die medikamentöse Behandlung verbessert wurde, reicht eine veränderte Dosierung oder auch die zusätzliche Einnahme einer anderen Substanz, um den Organverlust zu verhindern. 

Auf ein fremdes Organ reagiert das Immunsystem des menschlichen Organismus mit Abwehr, deshalb wird es mit Hilfe sogenannter Immunsuppressiva geschwächt. Die Beeinträchtigung des Immunsystems steigert die Anfälligkeit für Viruserkrankungen und auch das Risiko, an Krebs zu erkranken. "Die Medikamente sind häufig toxisch für andere Organe, etwa für Nieren oder Nervensystem. Es ist wichtig, die Dosierung daher so niedrig wie möglich zu halten, weil die Nebenwirkungen auch zur Dialyse führen können", sagt Pratschke. 

Zwar konnte die Nachbehandlung der Patienten optimiert und die Nebenwirkungen reduziert werden, den großen Durchbruch habe es in den letzten zehn Jahren allerdings nicht gegeben: "Der heilige Gral der Transplantationsmedizin wäre es nämlich, wenn der Patient nach einer mehrwöchigen Behandlung gar keine Medikamente mehr bräuchte, weil der Körper das neue Organ toleriert", meint der Innsbrucker Experte. 

Derzeit muss der Patient anfänglich ein- bis zweimal wöchentlich zur Nachkontrolle, nach zwei, drei Jahren ist der Besuch beim Arzt nur mehr einmal im Monat erforderlich. Kurz nach der Operation ist zusätzliche Vorsicht geboten: Häufiges Händewaschen wird empfohlen, der Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln im Winter sowie Reisen in infektionsgefährdete Gebiete sollten vermieden werden. 

Automatisch Organspender

Nach einer erfolgreichen Transplantation funktioniert das neue Organ in der Regel zehn bis 30 Jahre lang einwandfrei. So kann etwa eine Niere eines Verstorbenen zehn bis 15 Jahre, jene eines lebenden Spenders ungefähr 30 Jahre lang arbeiten. Die Lebenszeit des neuen Organs ist dabei nicht nur von der Organqualität, der passenden Organgröße, Blutwerten und HLA-Werten abhängig, sondern auch von der regelmäßigen Einnahme der Medikamente.

Organspender ist in Österreich jeder, der keinen Widerspruch dagegen eingelegt hat. Wenn sich also ein Patient nicht aktiv dagegen entschieden hat, dürfen die Ärzte rechtlich gesehen die Organe eines Verstorbenen transplantieren. "In der Praxis entnehmen wir allerdings keine Organe gegen den Willen der Angehörigen, wir haben nur eine bessere Argumentationsbasis", erklärt Pratschke. Für ihn ist das österreichische Gesetz eine intelligente Lösung, denn: "Wer beschäftigt sich im Alltag damit, was mit seinen Organen passiert, wenn er stirbt?" (derStandard.at, 15.2.2012)