Käser, Solar und Hottinger in Klucks amüsanter Dreisamkeit. 

Foto: Grazer Schauspielhaus/Lupi Spuma

Graz - Selbstgespräche haben ihre Vorteile. Man erhält prompt Antworten und dann auch noch jene, die man gerne hätte. Oliver Kluck - gefeierter Berliner Jungdramatiker - führt das gleich zu Beginn seines neuen Wurfes Der Untergang des Hauses Wuppertaal (sic!) vor, der am Sonntag im Grazer Schauspielhaus als szenische Lesung uraufgeführt wurde.

Man ruft sich selbst an, schreibt sich selbst, schickt sich Geld: "Ich schrieb, dass ich mich liebe, allerdings nicht in der Art, wie man zu lieben hat", beginnt eine der drei Erzählerstimmen (in diesem Fall Franz Solar), die immer wieder zu einer verschmelzen, "außerdem schrieb ich mir, dass in der Chausseestraße immer noch, schon wieder gebaut wird, ich wegen der Bauarbeiten jedes Mal einen Riesenumweg fahren muss." Später wird harmonisch gemeinsam mit sich selbst verreist: "Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen, ich lief auf mich zu, was eine neue Erfahrung für mich war."

Kluck hat einen intelligenten, witzigen, sprachlich sehr facettenreichen Text über Alleinsein, Einsamkeit, Geld, Neid, Sexualität und die Lüge über "die gute alte Zeit" geschrieben. Pointiert, ohne anbiedernd zu werden, leichtfüßig, ohne jemals ins Oberflächliche abzurutschen.

Das Ich kriegt sich selbst dabei auch bald satt: "Im Zug: endlich weg von mir (ich konnte mich schon nicht mehr sehen), endlich mal wieder mit der Bahn fahren", heißt es schon bald. Und die Mitreisenden machen den Monolog, der ein Dialog war, auf.

Sie loben das Früher, als alles so viel besser war, weil der Schnee noch hoch lag, die Beine der Frauen lang und die Autos aus richtigem Metall waren.

Franz Solar, Sophie Hottinger und Simon Käser lassen in ihren lustvollen Tiraden in der Regie von Christina Rast vergessen, dass man in einer "Lesung" sitzt. Selbst bleiben sie auch nicht sitzen. Sie wechseln vom Zugabteil ins spießige Wohnzimmer - die Herren in bedrohlichen Baumwolljersey-Jogginghosen, die Dame in einem braven Sommerkleid - und schließlich auf die Straße vor ein Mietshaus, wo sie ihren Frust auf Pärchen entladen.

In Zweierreihen lässt man sie aus den Betten der Zweisamkeit holen, um sie leicht bekleidet in der Kälte Aufstellung nehmen zu lassen und in Militärausbildnermanier zu verkünden: "Wenn ihr glaubt, dass ihr mich mit eurem Fröhlichsein und eurer so genannten Zuneigung zueinander zermürbt oder zermürben könnt, dann habt ihr euch getäuscht."

Der Untergang des Hauses Wuppertaal ist nach dem Stück Der Wiederaufbau des Haider-Denkmals der zweite Abend einer Trilogie, an der Kluck - wie berichtet - für das Grazer Schauspielhaus schreibt. Der dritte Abend folgt im April. Warum das Schauspielhaus diese Abende, die beim Publikum gut ankommen, auf der räumlich beengten Ebene 3 spielen lässt, ist nicht nachvollziehbar. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD/Printausgabe 15.2.2012)