Bop Jon Sunim: "Der Dalai Lama ist in Österreich beliebter als der Papst."

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Sunim mit dem gegenwärtigen Dalai Lama.

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Nach dem Gföhler Nein bleibt der ebenfalls von Sunim initiierte Stupa im ungarischen Zalaszántó mit einer Höhe von rund 30 Metern einer der höchsten buddhistischen Sakralbauten Europas. (korrigiert, Anm.)

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Die Errichtung eines im niederösterreichischen Gföhl geplanten buddhistischen Tempels wurde bei einer verbindlichen Bürgerbefragung mit 67 Prozent der Stimmen abgelehnt. ÖVP-Bürgermeister Karl Simlinger, dem die Errichtung des größten Sakralbaus dieser Art in Europa ein wichtiges Anliegen war, akzeptierte die Entscheidung der Bevölkerung. Dass sich die Gföhler schlussendlich gegen den Stupa entschieden haben, liege an einer Hetzkampagne politischer Gegner, sagt Bop Jon Sunim, buddhistischer Mönch und Mitinitiator des geplanten Baus, im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: Mehrere, vor allem christlich geprägte Organisationen erhoben zuletzt per Postwurfsendung (PDF) schwere Vorwürfe gegen den Buddhismus, um vor der Errichtung des Stupas zu warnen. Welche Auswirkungen hatte das?

Bop Jon Sunim: Bis eine Woche vor der Befragung waren die Rückmeldungen aus der Bevölkerung fast ausschließlich positiv. Das Ergebnis der Abstimmung war sicher auch eine Konsequenz dieser Aussendungen.

derStandard.at: Einer der Vorwürfe lautete, der Dalai Lama wolle einen "diktatorischen Gottesstaat" einsetzen und mit einem "blutigen Religionskrieg gegen Andersdenkende" die Welteroberung anstreben.

Bop Jon Sunim: Ich glaube, eine solche Kritik an anderen Religionen ist höchstens eine Selbstdisqualifizierung. Vorwürfe von Parallelen mit einer Diktatur sind vollkommen falsch, der Buddhismus ist ein Weg der Liebe, nicht des Hasses. So denken nur wenige, die meisten Österreicher haben große Sympathien für den Dalai Lama. Er ist in Österreich sogar beliebter als der Papst und der Kardinal.

derStandard.at: In dem Flugblatt wird auch eine Nähe des Buddhismus zum Nationalsozialismus hergestellt.

Bop Jon Sunim: Einen solchen Zusammenhang hat es nie gegeben. Wer das behauptet, macht bewusste Falschaussagen, die absolut unnötig sind. Für mich sind solche Behauptungen unglaublich.

derStandard.at: Es heißt darin außerdem, durch "unklare Aussagen über Sexualität mit Kindern" werde im Buddhismus "Pädophilie Tür und Tor geöffnet".

Bop Jon Sunim: Diese Vorwürfe sind unvorstellbar. Die Piusbruderschaft und vor allem Ewald Stadler arbeiten gegen uns und verbreiten mit solchen Aussagen nur Hass ohne jede Grundlage. Aber es ist sehr schwer, die Leute von der Wahrheit zu überzeugen, wenn an jeden Haushalt Broschüren mit diesen Lügen geschickt werden. Das ist nichts anderes als eine politische Negativkampagne.

derStandard.at: Ein Kritikpunkt am Stupa selbst war seine geplante Höhe von 35 Metern. Hätte es vielleicht weniger Widerspruch gegeben, wenn der Bau niedriger gewesen wäre?

Bop Jon Sunim: In Österreich gibt es etwa 8.000 Kirchen, von denen die meisten höher sind. Die Kirche in Gföhl ist 45 Meter hoch, der Stephansdom über 130 Meter. Dieser Punkt kann also objektiv nicht so ein wichtiges Thema sein.

derStandard.at: Sie haben kulturpolitisch eine Zusammenarbeit mit den Stiften Zwettl, Geras und Pernegg angedacht – wie war die Kommunikation mit den offiziellen Vertretern der katholischen Kirche?

Bop Jon Sunim: Wir haben sehr viele katholische Freunde, die uns bei dem Projekt unterstützt haben. Anders als die sogenannten "christlichen" Kritiker mit ihrer Kampagne haben uns die offiziellen Kirchenvertreter immer sehr freundlich behandelt.

derStandard.at: Das Gebäude hätte auf dem Galgenberg, einer ehemaligen Hinrichtungsstätte, erbaut werden sollen. Wäre das nicht eine etwas problematische Symbolik gewesen?

Bop Jon Sunim: Dazu gibt es eine schöne Geschichte: Vor über 2.200 Jahren herrschte Krieg in Indien und viele Menschen sind gestorben. Als König Ashoka gesehen hat, wie eine Frau den Tod ihres Sohnes betrauerte, hat er den Krieg beendet und am Schlachtfeld den ersten Stupa als Zeichen des Friedens errichtet.

derStandard.at: Der Standort in Gföhl ist nicht mehr realisierbar – werden Sie sich nun nach einem anderen Standort umschauen?

Bop Jon Sunim: Wir haben bereits einige Angebote aus ganz Österreich und überlegen, wie es weitergehen wird.

derStandard.at: Was passiert mit dem Gföhler Grundstück, das Sie erworben haben und nun doch nicht in Bauland umwidmen können?

Bop Jon Sunim: Auch das ist noch offen.

derStandard.at: Sie waren schon Initiator des bisher größten Stupas in Europa, der 1993 im ungarischen Zalaszántó errichtet wurde. Gab es auch dort öffentlichen Widerstand?

Bop Jon Sunim: Es gab weder damals noch in der Zeit danach irgendwelche negativen Stimmen aus der Bevölkerung. Die Bewohner haben sich von Anfang an gefreut. Wir haben gedacht, dass die Mehrheit der Österreicher ähnlich tolerant und offen gegenüber anderen Religionen und Menschen ist. (derStandard.at, 14.2.2012)