Ein Bestseller in den USA.

Foto: www.thepowerofintroverts.com

Autorin Susan Cain.

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Amerika ist kein Land für Introvertierte. In New York gilt man schlichtweg als beschränkt, wenn man sich während der Rush Hour nicht mit einem wütenden "Excuse me" den Weg ins Innere des U-Bahn Waggons brüllt. Und wehe dem, der kein Interesse für die Wochenendeskapaden seiner Kollegen heuchelt und sich lieber hinter dem Computerbildschirm in Arbeit verkriecht. Spätestens am nächsten Tag ist ihm die Diagnose Asperger Syndrom und der Spitzname "Rain Man" sicher. Die Botschaft ist eindeutig. Wer zu viel reflektiert, ist uns nicht geheuer, den Kommunikationsterroristen gehört die Welt. Zum Glück hat das amerikanische Feuilleton die Introvertierten zur neuen schützenswerten Minderheit erklärt. Die Autorin Susan Cain hat sich in ihrem neu erschienenen Buch "Quiet: The Power of Introverts in a World That Can't Stop Talking" ihren stillen Persönlichkeitsgenossen gewidmet.

Was hat es auf sich mit dieser bizarren Gruppe von Einzelgängern, die nachdenken bevor sie reden. Cain, selbst introvertiert, hat viele Jahre als Anwältin gearbeitet - und es gehasst. Das Rampenlicht, die Meetings, das ständige Aufplustern vor Klienten, Kollegen und Richtern. Lieber hat sie im Stillen vor sich hin recherchiert. Ein Manko in einer Gesellschaft, in der jeder Erfolg kommuniziert werden muss, um wahrgenommen zu werden. Das Credo lautet: Ich quatsche, also bin ich.
Damit ist nun Schluss. Lang und breit wird dieser Tage dieser ganz spezielle Menschenschlag in den amerikanischen Medien diskutiert. Eltern werden dazu angehalten ihre introvertierten Kinder nicht ins Rampenlicht zu zerren, sondern einfach mal hinzunehmen, dass nicht jedes Kind im Mittelpunkt stehen will und muss.

Schöne introvertierte Welt

Ist die diskriminierte stille Minderheit der Schlüssel zu Amerikas verlorenem Erfolg? Wenn man dem Buch glaubt, scheint es fast so. Demnach gehen alle Misserfolge auf extrovertierte Quatschköpfe zurück. Eine Welt, in der Introvertierte das Sagen haben, wäre so viel rationaler, besonnener, bedachter, sind sich Kritiker in den Buch Rezensionen einig. Die Finanzkrise wäre undenkbar, weil introvertierte Menschen das Risiko viel zu sehr scheuen.

Populistische Fernsehdebatten wären ein Relikt von gestern, weil Introvertierte sich nicht aufplustern. Sie quatschen nicht, sie hören zu. Amerika will in sich kehren und sucht nach Antworten bei jenen, die das von Haus aus tun. Die Frage ist, ob es tatsächlich reicht einfach nur einmal die Klappe zu halten. (derStandard.at, Solmaz Khorsand, 14.2.2012)