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Ein trautes Essen bei Kerzenschein: Chinas Vizepräsident Xi Jinping und Henry Kissinger feierten im Jänner in Peking Präsident Nixons historische Visite in China, nun besucht Xi Washington.

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Die USA testen, ob sie mit ihm ins Geschäft kommen und zunehmende Spannungen regulieren können.

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Vor 27 Jahren war Xi Jinping schon einmal in Iowa. Die dichten Maisfelder, die hohen Erträge, die amerikanische Art, das alles muss ihn schwer beeindruckt haben. Jedenfalls betont er noch heute, wie sehr er den Mittleren Westen mag. Damals war er ein unbekannter Apparatschik aus der chinesischen Provinz Hebei, und in Muscatine am Mississippi ließen ihn die Dvorchaks, Tom und Eleanor, im Kinderschlafzimmer übernachten, wo ihn kosmische Star Trek-Figuren umgaben. Heute ist der 58-Jährige designierter Nachfolger von Staats- und Parteichef Hu Jintao, dessen zehnjährige Amtszeit im Herbst zu Ende geht.

Kein Zufall also, dass die Choreografie des Weißen Hauses auch einen Abstecher in Iowa einplant. Die Dvorchaks, die vor drei Jahren nach Florida zogen, um den Ruhestand zu genießen, werden eingeflogen zum Wiedersehen. Eleanor hat wissen lassen, was sie dem Gast schenken wird. Eine Charakterstudie Barack Obamas, Obama on the Couch, verfasst vom Psychoanalytiker Justin Frank.

Der neue Mann wird heftig umworben, die Chemie soll stimmen, damit sich unvermeidliche Konflikte leichter entschärfen lassen. Wenn amerikanische China-Kenner den Funktionär beschreiben, dann loben sie seine Fähigkeit, auch mal ohne Manuskript reden zu können, den Kontrast zum eher steifen Amtsinhaber. Der Altmeister Henry Kissinger sieht einen "selbstbewussteren Typen, als wir es bisher in Peking gewohnt waren" . Vizepräsident Joe Biden findet anerkennende Worte für die "Offenheit" des "Kronprinzen" . Manchmal klingt es, als käme ein zweiter Michail Gorbatschow in die USA. Vorschusslorbeeren mit Kalkül: Angesichts wachsender Reibungen gilt es als Vorteil, dass Xi ein Mann zu sein scheint, mit dem man Tacheles reden kann.

Zunehmend bestimmt harte Rivalität die Beziehungen der Supermacht zu ihrer aufstrebenden Konkurrentin. Es sind nicht mehr nur Handelskonflikte oder der Streit um die künstlich niedrig gehaltene chinesische Währung, die das Verhältnis prägen. Immer öfter geht es um geopolitische Spannungen. Mit Blick auf China hissen die USA das Sternenbanner über einer Militärbasis im Norden Australiens, die als Trainingszentrum für australische und amerikanische Marineinfanteristen dienen soll. Mit den Philippinen verhandelt das Pentagon über das Auftanken von Kriegsschiffen und Kampfjets. Das Verhältnis zu Vietnam hat sich dramatisch verbessert, in Burma winkt ein Durchbruch. Und während der Sparzwang eine Reduzierung der Bodentruppen diktiert, soll die US-Flottenpräsenz im Pazifik beibehalten werden.

"Bedrohungsszenarien können auf jeder Seite schnell ein Eigenleben entfalten" , warnen die China-Experten Kenneth Lieberthal und John Thornton in einem Essay für die Washington Post. Das "strategische Misstrauen" vertiefe sich. Umso wichtiger sei es, Sicherheitsfragen offen zu diskutieren. Das Reiseprogramm des Gastes scheint dem Rechnung zu tragen: Neben Gesprächen im Weißen Haus und State Department wird Xi auch das Pentagon besuchen, protokollarisch ein hochinteressantes Signal.(Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2012)