Zwischen Säulen: Gustav Klimts "Griechische Antike I".

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Wien - Malerfürsten waren sie noch keine, Franz Matsch und die beiden Klimt-Brüder Gustav und Ernst - die Mitglieder der "Künstler-Compagnie". Und so blieb der ambitionierten Jugend eben nur die malerische Ausgestaltung der Zwickel und der Felder zwischen den Säulen ganz oben am Juchhe des Stiegenhauses im Kunsthistorischen Museum - also dort, wo niemand so genau hinzuschauen vermag: Allenfalls ein Operngucker könnte bei der eingehenden Kunstbeschau behilflich sein. Bis jetzt. Nun, im Klimt-Jahr, kann man die Bilder, mit denen sich Gustav an der Nordwand des Treppenhauses verewigte, aus allernächster Nähe betrachten.

Da den Gemälden eine Abnahme nicht zuzumuten wäre, genießen die Besucher auf einem Steg in zwölf Metern Höhe die ungewohnte Aussicht. Für die malerische Ausstattung des neuen Museums, das zusammen mit Naturhistorischem, Hofstallungen und Neuer Burg einen Teil des nie realisierten, gigantischen Kaiserforums darstellte, verpflichtete Architekt Hasenauer ursprünglich den Maler der Stunde: Hans Makart. Aber der Meister des Effekts und der theatralischen Inszenierung starb 1884. Und so brauchte man für das prestigeträchtigste Gebäude der Ringstraße entsprechenden Ersatz.

Obwohl sich Matsch und die Brüder Klimt bereits als Makart-Ersatz in der Ausstattung der Hermesvilla bewährt hatten und ihnen Hasenauer daraufhin die Stiegenhäuser des Burgtheaters anvertraute, reichte es im Kunsthistorischen nur für die künstlerisch eher undankbaren Aufgaben. Noch dazu sollte der 40 Leinwände umfassende Zyklus zu den Stilepochen der europäischen Kunst, mit denen sie 1890 beauftragt wurden, in atemberaubenden fünf Monaten fertig sein. Es dauerte ein paar Monate länger.

Das große Deckengemälde mit der Apotheose der Renaissance gab man dem mit Historiengemälden vertrauten, renommierten ungarischen Maler Mihály Munkácsy. Ausgleichende Gerechtigkeit 121 Jahre später: Man zeigt der pathosreichen Gottwerdung an der Decke die kalte Schulter und schenkt die komplette Aufmerksamkeit etwa Gustav Klimts Pallas Athene, Göttin Isis, der klassischen Römerin, dem venezianischen Dogen und dem jungen, die ätherische italienische Schönheit anschwärmenden Dante.

Besucher-Apotheose

So nah besehen, kann man die Gorgo auf dem Brustpanzer der kriegerischen Göttin Pallas Athene überhaupt erst erkennen. Hier ist sie mehr Accessoire denn kämpferische Ansage, wie einige Jahre später auf dem berühmten Plakat Klimts für die Secession (1898).

Im Kunsthistorischen Museum hat Klimt der verhüllten Wahrheitsgöttin Pallas Athene eine andere Gottheit gegenübergestellt: Die Verkörperung der verhüllten Wahrheit auf der einen und die komplett nackte Isis als "nuda veritas" auf der anderen Seite. Ein "raffinierter, geradezu prickelnder Gegensatz", wie Kurator Otmar Rychlik findet. Anders als im Göttinnen-Format wäre die Nacktheit bereits zu jener Zeit nicht argumentierbar gewesen, erklärt er. Dass die Symbolfiguren für die venezianische und römische Malerei des Quattrocento einander den Rücken zuwenden, hat für Rychlik politische Gründe: Klimt zeige darin den Zwist zwischen päpstlichem Rom und republikanischem Venedig.

Kunsthistorisch interessant werden die Bilder durch den Umstand, dass Klimt bereits beginnt, den Illusionsraum zugunsten der Flächenwirkung zu vernachlässigen. Sogar das Gemälde, das ihn womöglich zu seinem Gewand und Hintergrund verschmelzenden, flächigen Ornamentstil verführte, hat Rychlik aufgetan. Er präsentiert es in der erhellenden, dokumentarisch angelegten Begleitausstellung: die Krönung Mariä von Antonio da Fabriano (1452), das dem Haus zu jener Zeit geschenkt wurde. Ein einleuchtender Gedanke.

Relevant ist diese stilistische, für die spätere "Goldene Werkphase" wesentliche Entwicklung vor allem, weil viele Arbeiten aus der Zeitspanne danach verloren sind; darunter die legendären, weil skandalösen Fresken der Universität. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 14. Februar 2012)