Für die Energiewende wird viel getan, noch mehr wird darüber geschrieben, aber trotzdem hat sie noch nicht einmal begonnen: Obwohl viele Windräder und andere Öko-Kraftwerke gebaut wurden, ist der Anteil von erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung in Österreich von 70 Prozent im Jahr 1997 auf heute 62 Prozent gesunken!

In Europa wurde noch kein einziges fossiles Kraftwerk überflüssig gemacht. Die weltweiten CO2-Emissionen steigen von Jahr zu Jahr. Das teure Öl verschlimmert die Sache sogar noch, weil dadurch mehr von der noch klimaschädlicheren Kohle verfeuert wird. Sollte das Öl zur Neige gehen, droht gar eine Renaissance der Kohleverflüssigung.

Verbrauchswachstum steigt unaufhörlich

Der Grund dafür, dass die ganze neue Ökoenergie bisher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war, ist das unaufhörliche Verbrauchswachstum. Hätten wir heute den Stromverbrauch des Jahres 1985, bräuchten wir keine Gas- und Kohlekraftwerke mehr in Österreich. Offenbar können wir die Ökoenergie nicht schnell genug ausbauen, um einen ungebremsten Energiehunger zu stillen. Am Einbremsen scheint kein Weg vorbeizuführen, wenn die Energiewende kommen soll.

Da Sparen unpopulär ist, sind Politiker und Werbefachleute gewieft im Erfinden angenehmerer Botschaften. Während sie bei jedem neuen Windrad und jeder ersetzten Glühbirne über das viele vermiedene Kohlendioxid jubeln, behaupten sie bei Stromverbrauchern wie zum Beispiel Elektroautos, dass diese "emissionsfrei" sind, weil wir ja genug Wasserkraft haben. Eingesparte Kilowattstunden werden den schmutzigsten Kraftwerken zugerechnet - zusätzlich benötigte den saubersten. Eigentlich ist ziemlich offensichtlich, dass hier schöngerechnet wird, aber erstaunlicherweise erhebt niemand Einspruch. Sogar Stromheizungen werden mit dem Argument des "sauberen Ökostroms" beworben, doch der fehlt dann anderswo. Wir haben noch lange keine Ökostrom-Überschüsse, und wenn wir jedes Mehr an sauberer Energie gleich wieder verbrauchen, werden wir nie welche haben.

Stromnetzausbau versus dezentrale Versorgung

Wird das Stromnetz genügend verstärkt und das Speichervermögen der existierenden Stauseen besser genutzt, dann sind 100 Prozent Grünstrom möglich und sogar so kostengünstig, dass der Strom billiger werden könnte. Der Ökostrom hat kein "Speicherproblem", wie oft behauptet wird. Die Umstellung auf 100 Prozent nachhaltige Stromerzeugung könnte mit der heute verfügbaren Technik sofort starten und bis 2030 abgeschlossen sein, wenn Politiker und alle Interessenverbände an einem Strang ziehen.

Viele "Energievorkämpfer" haben jedoch ihre eigenen Lieblingslösungen: je kleiner, desto besser. Am beliebtesten sind Solarzellen am Dach. Doch mit allen gut geeigneten Dächern könnte gerade mal ein Drittel des Strombedarfs gedeckt werden. Bei Freiflächenanlagen ist es mit der Beliebtheit schnell vorbei. Auch Windräder werden nicht gern gesehen. Man muss aber kein Energie-Experte sein, um zu begreifen, dass unsichtbare Öko-Kraftwerke eine Utopie sind. Schönheit oder nachhaltige Energieversorgung - was ist uns wichtiger?

Schattenseiten der Energieautarkie

Anhänger der "Small-Is-Beautiful-Philosophie" begeistern sich für lokale Stromerzeugung, die Überlandleitungen und Energieimporte überflüssig machen soll. Klingt toll, allerdings wäre die lokale Stromspeicherung, z. B. in Akkus, in dem dann nötigen Ausmaß astronomisch teuer. Außerdem ist es ineffizient, den Strom mit hohen Verlusten lokal zu speichern, während gleichzeitig anderswo Flaute herrscht und unser überschüssiger Strom gut gebraucht werden könnte. Die Verluste beim Stromtransport sind viel geringer als bei der lokalen Speicherung. Selbst von Nordafrika bis Mitteleuropa gingen nur 15 Prozent verloren, und dieser Verlust wird durch bessere Verhältnisse zur Wind- und Solarstromproduktion mehr als ausgeglichen. Eine Energieautarkie anzustreben, ist so absurd, als wollten wir in Österreich Bananen anbauen. Natürlich sind Strommasten unbeliebt, aber wer neue Leitungen verzögert, der verzögert die Energiewende, denn die teuren Lösungen werden nicht kommen. Schon 2005 wurde das damalige Ökostrom-Gesetz zu Fall gebracht, weil 0,6408 Cent pro Kilowattstunde angeblich unleistbar sind.

Unser Wohlstand basiert auf billiger fossiler Energie. Die Umstellung auf erneuerbare Energie ist eine Mammutaufgabe, die nur dann gelingen kann, wenn wir uns auf die effizientesten und aussichtsreichsten Möglichkeiten konzentrieren. Der Traum von einem Leben in "Saus und Braus" wie bisher, lediglich auf nachhaltige Weise, ist für uns nicht erfüllbar. Je eher wir das erkennen, desto besser. (Leserkommentar, Mario Sedlak, derStandard.at, 13.2.2012)