"Das Geschäft ist mehr als tot", sagt Kazem, der in der Altstadt von Damaskus einen Laden mit Kupferware und Seidenschälen führt. Seine Kunden sind nichtarabische Touristen. Von denen hat er seit Monaten keine mehr gesehen. Im Moment lebt Kazem vom Geld, das er in besseren Jahren verdient hat. Einige Straßenzüge weiter nahe der schiitischen Sayyida-Rouqna-Moschee sind die iranischen Pilgertouristen an einer Hand zu zählen. Seit Teheran seinen Landleuten die Reise nach Syrien über Land verboten hat, bleiben auch diese Touristen weg, die vor dem Aufstand zu Hunderttausenden die schiitischen Schreine in Syrien besuchten.
"Seit etwa zwei Wochen, seit sich die Lage deutlich verschlimmert hat, kaufen die Leute sehr viel weniger Süßigkeiten, weil ihnen nicht mehr nach Feiern und Genießen zumute ist", stellt Abu Hajjaj auf dem Markt des Midan-Viertels fest, das für sein Pistazien-Konfekt bekannt ist. Bei den Metzgern und Gemüsehändlern ist der Einbruch hier, wo nicht die Ärmsten einkaufen, noch kaum zu spüren. "Der Preis meines Mate-Tees hat sich vervierfacht", ärgert sich ein Markt-Kunde.
Mohammed Darraj hat Generatoren in sein Sortiment aufgenommen, um sich über Wasser zu halten, nachdem seine Verkäufe von Fernsehgeräten um mehr als die Hälfte eingebrochen sind. "Vor allem Geschäftsbesitzer installieren sich Generatoren, die normalen Leute behelfen sich mit Kerzen", sagt er. Zurzeit betragen die Stromabschaltungen mindestens drei Stunden täglich. Der Händler flucht aber vor allem über die Polizei, die seine Straße zum Schutz einer Polizeiwache verbarrikadiert hat und ihm damit die Kunden verscheucht.
"80 Prozent Rabatt", "Geschlossen wegen Renovation", "Miete von Geschäftsräumen um 85 Prozent gesenkt" - Damaskus ist voll von solchen Schildern. Die Hotels sind kaum ausgelastet, manche haben den Betrieb überhaupt eingestellt, und in den Kaffees und Restaurants ist nur wenig los. Besonders am Freitag, wenn die meisten Demonstrationen stattfinden, ist das Zentrum von Damaskus ausgestorben. In beliebten Lokalen, in denen vor dem Aufstand kaum ein leerer Tisch zu finden war, langweilen sich die Kellner.
Deutlichstes Zeichen dieser wirtschaftlichen Probleme ist die Entwertung der heimischen Währung. Das syrische Pfund hat etwa die Hälfte des Wertes eingebüßt. Wer Dollar umtauscht, erhält in der Wechselstube jeden Tag etwas mehr, derzeit etwa 71 Pfund für einen Dollar, während die Nationalbank immer noch einem Kurs von 58 festhält.
"Die kombinierten Effekte aus Aufstand und Sanktionen haben zu einem massiven wirtschaftlichen Einbruch geführt", erklärt der Ökonom Nabil Sukkar. "Viele Unternehmen mussten Leute entlassen. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen." Der Pfundzerfall hat eine Inflation von 15 bis 20 Prozent ausgelöst. In den ersten Monaten der Krise hatte die Regierung die Gehälter der Staatsangestellten einmal um 30 Prozent erhöht, die sind aber schon längst von den Preissteigerungen aufgefressen worden. Die Nationalbank hat aufgehört, den Pfundkurs mit allen Mitteln zu stabilisieren, um den Schwund der Devisenreserven einzudämmen. Von Russland und dem Iran wird erwartet, dass sie mit Krediten einspringen, damit der Staat weiter seine Aufgaben wahrnehmen kann.
Wehgetan hat besonders die letzte Runde der Sanktionen, die zum Rückzug von ausländischen Firmen wie Shell geführt hat. Jetzt fördert nur noch die staatliche Gesellschaft Öl. Wie hoch die Kapitalflucht ist, die seit Monaten im Gang ist, weiß niemand. Jetzt gilt vor allem Jordanien als sicherer Hafen für syrisches Geld. (DER STANDARD-Printausgabe, 13.02.2012)