Athen/Istanbul - Wenn sich sogar die Fans von Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen vereinen und gemeinsam marschieren, dann hat Griechenlands wichtigste Stunde geschlagen. Sonntagnachmittag war es so weit. Die Anhänger der rivalisierenden Fußballklubs mischten sich unter die Tausenden, die im Zentrum von Athen gegen das neue Sparpaket demonstrierten. Dessen Annahme wurde zeitgleich im Parlament debattiert. Die weiteren drakonischen Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für die Freigabe des zweiten großen Hilfskredits der internationalen Geber in Höhe von 130 Milliarden Euro am kommenden Mittwoch, aber auch für ein Abkommen mit den Banken über einen Schnitt von 100 Milliarden Euro griechischer Staatsschulden.

An gewichtigen Argumenten hat es bei der Abstimmung über das Sparpaket im Parlament in der Nacht zum Montag nicht gemangelt. Ein besonders großes hatte der Chef der griechischen Konservativen für seine Abgeordneten parat: Wer nicht mitmacht, wird bei der nächsten Wahl nicht als Kandidat aufgestellt, hatte Antonis Samaras gewarnt. Seine Partei, die Nea Dimokratia, führt mit weitem Abstand die Umfragen an; Samaras gilt bereits als kommender Regierungschef.

Die Annahme des mittlerweile vierten großen Maßnahmenpakets seit Ausbruch der Finanzkrise 2010 galt am Sonntag als sicher angesichts der breiten Mehrheit von Nea Dimokratia und der sozialistischen Pasok im Parlament in Athen. Reduzierung des Mindestlohns, Kündigung von 150.000 Beamten und weitere Ausgabenkürzungen im Gesundheitswesen zählen zu den umstrittensten Entscheidungen, zu denen sich die Führer der Regierungskoalition nach tagelangen Verhandlungen mit der Troika durchgerungen hatten. Insgesamt geht es um Einsparungen von 3,1 Mrd. Euro allein in diesem Jahr und ungeachtet der sich verschärfenden Rezession.

Papademos warnt Griechen

Finanzminister Evangelos Venizelos lieferte sich gleich zu Beginn der Parlamentsdebatte ein Brüllduell mit den Kommunisten um die Parteichefin Aleka Papariga. "Niemand kann sich mehr hinter dem anderen verstecken", hatte Venizelos zuvor an die Adresse vor allem des Vorsitzenden der Konservativen, Samaras, gerichtet gesagt: "Niemand kann weiter vorgeben, der Gute zu sein. Unsere Wahl wird nur zwischen Opfern und noch größeren Opfern sein." Samaras hatte lange Zeit erklärt, er lehne die Sparpakete der Troika ab und wolle sie neu verhandeln. Premier Lukas Papademos warnte die Griechen ebenso vor der "gefährlichen Wahl" eines ungeordneten Staatsbankrotts.(Markus Bernrath, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 13.2.2012)