Werner Faymann beteuert die Ausgewogenheit des Sparpakets, sieht aber noch weitere Schritte als notwendig an: "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit."

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Standard: Viele in der SPÖ beklagen das Fehlen vermögensbezogener Steuern im jetzigen Konsolidierungspaket. Wie haben Sie die Gewerkschaft und den linken Flügel in Ihrer Partei dennoch vom Sparpaket überzeugen können?

Faymann: Jemand, der wie ich dafür ist, dass Reich und Arm nicht weiter auseinandergeht, weiß, dass beim Thema Verteilungsgerechtigkeit das Ziel noch lange nicht erreicht ist. Die Verlierer der Krise sind die Ärmsten und die Mittelschicht. Wenn der Staat nicht aktiv dagegenhält, dann bleibt die Welt nicht nur ungerecht, dann wird sie auch noch ungerechter. Die jetzt und in Loipersdorf gesetzten Maßnahmen wie die Bankenabgabe, Änderungen bei Stiftungen, der Gruppenbesteuerungen, Steuern auf Wertpapier- und Immobilienzuwächse sind eine wichtige Etappe, aber sie reichen noch nicht, wir brauchen mehr Gerechtigkeit.

Standard: Was wäre dann der nächste Schritt über das Sparpaket hinaus?

Faymann: Unsere Meinung ist klar: Was wir bisher nicht erfasst haben, sind Schenkungen und Erbschaften mit einer Freigrenze von bis zu einer Million Euro. Eine Erbschafts- und Schenkungssteuer bleibt aus tiefer Überzeugung ein Ziel der SPÖ. Es geht nicht darum, dass man jemandem ein Millionenerbe nicht vergönnt. Im Gegenteil, ich vergönne jedem alles. Man kann mit Freigrenzen arbeiten wie in Deutschland, wo man das Betriebsvermögen zu 85 Prozent ausnimmt, oder man gestaltet das Modell so, dass die Mittelschicht gar nicht betroffen ist. Aber man muss diese Lücke von Reich und Arm stärker schließen.

Standard: Und das war mit ÖVP-Chef Michael Spindelegger nicht zu machen?

Faymann: Das ist die Wahrheit, ja. Wir sind überzeugt davon, dass man sich der Frage der Gerechtigkeit entweder über Substanzsteuern nähern kann oder über Vermögenszuwächse. Ich bin davon überzeugt, dass die Lücke bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer geschlossen gehört.

Standard: Wie konnten Sie der ÖVP die Solidarabgabe schmackhaft machen? Das betrifft ja im Wesentlichen die Klientel der ÖVP - wenn man Sie einmal ausnimmt: Sie werden künftig auch etwa 3000 Euro pro Jahr beitragen müssen.

Faymann: Ja, das hat der Finanzstaatssekretär für mich ausgerechnet. Das betrifft ungefähr 20.000 Menschen in Österreich. Die Bestverdiener im Land. Wir haben in der Krise die Beschäftigung hochgehalten und die Arbeitslosigkeit gering gehalten, aber diese Maßnahmen haben etwas gekostet. Das kann man nicht abbezahlen, indem man die Sozialsysteme zerstört oder die Armut vergrößert. Da müssen jetzt die mehr leisten, die mehr haben. 13.000 brutto ist ungefähr die Grenze, wo unser Solidarbeitrag anfängt. Wir haben lange darüber diskutiert, fast wäre nichts dabei herausgekommen. Jetzt bringt der Solidarbeitrag in Summe 110 Millionen Euro im Jahr, betroffen sind 20.000 Menschen. Ich halte das für sehr gerechtfertigt.

Standard: Hat sich bei Ihnen schon ein Betroffener beschwert?

Faymann: Bei mir nicht, da wäre er auch an der falschen Adresse. Vielleicht bei der ÖVP.

Standard: Haben Sie Angst vor Nachverhandlungen, in denen das Paket wieder aufgeschnürt werden könnte? Fritz Neugebauer hat noch nicht zugestimmt.

Faymann: Am Gesamtbetrag wird nichts mehr geändert. Das ist bei den Beamten ungefähr eine Milliarde Euro. Das Biennium bleibt und bedeutet eine automatische Erhöhung um 1,8 Prozent jährlich. Jeder, der unsere Maßnahmen kleinmachen will, muss mit unserer Entschlossenheit rechnen. Da werden wir gemeinsam unsere Argumente massiv vertreten.

Standard: Also ist an der Nulllohnrunde noch zu rütteln, oder nicht?

Faymann: Wir haben den Vorschlag gemacht, dass die Einsparungen durch eine Nulllohnrunde im kommenden Jahr und eine moderate Anpassung 2014 erreicht werden sollen. Das ist ein guter Vorschlag, wir werden diesen auch gemeinsam verteidigen. Wenn Kollege Neugebauer Vorschläge macht, die mehr bringen, sind wir dankbar. Wenn er Vorschläge macht, die weniger bringen, muss er mit unserer Standhaftigkeit rechnen.

Standard: Rund um das Sparpaket sind schon Streitigkeiten aufgetaucht, ob das Verhältnis Sparen zu Einnahmen tatsächlich 70 zu 40 beträgt oder nicht doch 76 zu 24, wie in der ÖVP kolportiert wurde. Wer hat sich denn durchgesetzt, wenn Sie das nachträglich betrachten?

Faymann: Ganz ehrlich: Das ist eine kindische Diskussion. Auch von all jenen, die jetzt behaupten wollen, sie hätten sich durchgesetzt. Es ging darum, einen guten Mix zustande zu bringen. Und die Einnahmen sind ja nicht irgendwelche Einnahmen: Wir haben eben nicht die Mehrwertsteuer erhöht, sondern führen die Immobilienzuwachssteuer ein. Es kommt eben keine Erhöhung der Mineralölsteuer, sondern eine Änderung bei der Gruppenbesteuerung. Es gibt keine Massensteuern, sondern eine Solidarabgabe für die Spitzenverdiener. Dasselbe gilt beim Sparen. Wenn 60 Prozent der Pensionen 1000 Euro und weniger ausmachen, dann dürfen die nicht betroffen sein.

Standard: Man kann das Sparpaket durchaus auch als Mogelpackung sehen. So wurde in die Gesamtsumme etwa die Finanztransaktionssteuer eingepreist, obwohl man noch gar nicht weiß, ob und wann es die geben wird. Auch die Abgeltungssteuer mit der Schweiz muss erst verhandelt werden.

Faymann: Das ist der Nachteil einer mittelfristigen Budgetplanung. Sie beruht teilweise auf Annahmen. Bei mittelfristigen oder langfristigen Zielen kann es natürlich zu Änderungen kommen. Der Vorteil einer mittelfristigen Planung: Sie zielt nicht auf den Wahltermin ab. Da kann man mit Strukturreformen ansetzen.

Standard: Auf die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer haben Sie nur bedingt Einfluss.

Faymann: In diesem Fall spielt natürlich die europäische Entwicklung eine große Rolle. Wir haben uns auf das eingestellt, was seitens der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Falls die Finanztransaktionssteuer nicht EU-weit kommt, bin ich dafür, sie in der Eurozone einzuführen. Wir haben aber das Finanzministerium auch beauftragt, zu berechnen, wie viel diese Maßnahme bringt, wenn wir sie nur im eigenen Land einführen. Das wäre dann aber sicher ein geringerer Betrag, daher wollen wir die europäische Transaktionssteuer.

Standard: In Ihrem Konsolidierungspaket sind auch Reformen enthalten, die die Politik betreffen. Die Regierung soll verkleinert werden, ebenso der Nationalrat und der Bundesrat. Haben Sie keine Angst, dass hier unter der Vorgabe eines Sparpakets die Demokratie und ihre Instrumente eingeschränkt werden?

Faymann: Wenn man einen Blick auf Europa wirft: Wir haben Abgeordnete, einen Kommissar, wir haben dort in beachtlichem Ausmaß Mitarbeiter, natürlich zu entsprechenden Kosten. Die sind auch wichtig für die Demokratie. Wenn man eine aktive Rolle in einem gemeinsamen Europa spielen will und weiß, wie eng unsere Entwicklung von gemeinsamer europäischer Politik abhängig ist, darf man hier nicht sparen. Man kann leicht ausrechnen, dass die Gesamtkosten für die Demokratie nicht sinken. Es wird lediglich Verschiebungen geben. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2012)