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Grasser- Anwalt Manfred Ainedter informierte am 26. Mai 2011 die wartenden Journalisten im Eingangsbereich einer Grasser-Firma. Dass diese über die Hausdurch- suchungen Bescheid wussten, wertet er als Amtsmissbrauch durch die Justiz.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Für die Justiz war der 26. Mai 2011 ein Großkampftag. An zehn Privat- und Firmenadressen in Wien, Kärnten und Tirol führte die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Finanzstrafverfahren gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser Hausdurchsuchungen durch.

Da Journalisten schon in den Morgenstunden, also noch während der Durchsuchungen, informiert wurden, brachte Grasser Klagen wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch gegen mehrere Justizvertreter ein, unter anderem den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Wien. Er beklagte sich darüber, dass seine Wohnung in Wien durch Kameraleute, Journalisten und Fotografen belagert wurde und seine Haushälterin sowie sein Stiefsohn das Gebäude nicht mehr verlassen konnten, ohne fotografiert oder gefilmt zu werden. Der Antrag wurde nun von der Staatsanwaltschaft Innsbruck (an die das Verfahren übertragen wurde) abgelehnt, teilte Grassers Anwaltskanzlei Ainedter & Ainedter dem Standard mit.

Angesichts der Einstellungsbegründung hat man allerdings einen Fortführungsantrag eingebracht. Die Tatsache, dass die Medien bereits informiert wurden, als die Hausdurchsuchungen noch liefen, "ist retrospektiv betrachtet Ergebnis einer fehlerhaften Interessenabwägung im Anlassfall, da die Öffentlichkeit kein legitimes Interesse daran hat, laufenden Hausdurchsuchungen als Zuschauer beizuwohnen", schreibt die Innsbrucker Staatsanwaltschaft.

Für eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs reicht das aus Sicht der Justiz aber nicht. Die Innsbrucker halten nämlich auch die Argumentation ihrer Wiener Kollegen für zulässig, die befürchteten, dass ohne Information der Öffentlichkeit "unsachliche mediale Spekulationen" entstanden seinen und außerdem die Hausdurchsuchungen ohnehin "nicht lange (genug) geheim" geblieben wären.

"Unter solchen Umständen ist es bei ermessensgemäßer Befugnisausübung vertretbar, schon während laufender Hausdurchsuchungen die Öffentlichkeit darüber zu informieren", so die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Daher könne kein "wissentlicher Befugnismissbrauch" und auch kein Schädigungsvorsatz festgestellt werden.

Grassers Anwälte sprechen von einer "unrichtigen Gesetzesanwendung". Da objektiv der Tatbestand des Amtsmissbrauchs festgestellt worden sei, wird die Befragung weiterer Zeugen beantragt. Kritisiert wird von ihnen das Argument der Justiz, dass sich Hausdurchsuchungen nicht geheim halten ließen und eine Nichtinformation der Öffentlichkeit zu einer einseitigen Berichterstattung führen würde. "Diese Argumentation bedeutet - logisch zu Ende gedacht - die Kapitulation des Rechtsstaates", weil das Amtsgeheimnis ohnehin "erwartungsgemäß verletzt" werde, so die Kanzlei Ainedter. Nun ist die Justiz wieder am Zug. (Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 13.2.2012)