Es werden wohl noch einige Billionen Teilchenkollisionen wie diese nötig sein, ehe die Physiker sichere Aussagen über die Existenz des Higgs-Bosons machen können.

Foto: CERN

Genf/London/Wien - Das Wichtigste gleich vorab: Es wird noch ein paar Monate dauern, bis man ganz sicher weiß, ob es das Higgs-Teilchen tatsächlich gib. Ende März oder Anfang April geht der Large Hadron Collider (LHC) wieder in Betrieb und wird - geht alles nach Plan - die eine oder andere Billiarde an Teilchenkollisionen liefern. Und die sollten dann die endgültige Klärung liefern, ob jenes Teilchen existiert, das allen anderen Masse verleiht und das sogenannte Standardmodell der Physik komplettieren würde.

Kurze Rückblende: Nach rund 350 Billionen Kollisionen 2011 gab das Cern im Dezember letzten Jahres bekannt, dass das CMS- und das Altas-Experiment bei rund 125 GeV auffällige Signale für die Existenz des Higgs registriert hätten. Doch der Teufel steckt im Detail, wie sich diese Woche bei den jüngsten Veröffentlichungen der nochmals analysierten Daten aus 2011 zeigte.

Im Wesentlichen bestätigten die Physiker, was sie auch schon im Dezember verlautbart hatten: Die Größe der gemessenen Anomalien betrug für das Altas-Experiment 2,5 Sigma und für CMS damals 1,9 - was in etwa der Wahrscheinlichkeit von eins zu 100 entspricht, dass die Abweichungen bloßer Zufall waren. Nun wurde die "Unwahrscheinlichkeit" beim CMS auf 2,1 nach oben korrigiert, was die Sache nicht wesentlich besser macht. Für die Physiker gilt erst eine Sicherheit von fünf Sigma als "existenzberechtigend". Das ist eine Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million.

Zusammenzählen kann man die beiden "Unwahrscheinlichkeiten" leider (noch) nicht, wie in einem Blog von Nature News bereits vorschnell vermutet wurde. Dann würde man immerhin auf eine Sicherheit von 4,3 Sigma kommen. Aber das ist deshalb nicht zulässig, weil CMS und Atlas ihre "Ausschläge" bei geringfügig anderen Massen hatten: CMS bei 124 GeV und Atlas bei 126 GeV.

Erst wenn sich diese geringfügig unterschiedlichen Messungen etwa durch eine entdeckte Messungenauigkeit vereinigen ließen, käme man auf 4,3 Sigma. Darüber wird man im März bei einer Konferenz im italienischen La Thuile beraten. 4,3 Sigma, das den Forschern immer noch nicht genügen würde, bedeutet wiederum, dass das Signal zu 0,004 Prozent zufällig ist.

Zum Vergleich: Eine Zufälligkeit von immerhin von 3,8 Sigma (oder eins zu 8192) konnten kürzlich Millionen Fans von American Football beobachten. Schon zum 14. Mal in Folge hat das Team der National Football Conference vor Spielbeginn des Super Bowl den Münzwurf und damit die Platzwahl gewonnen. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe,11./12.02.2012)