Seit inzwischen drei Jahren wird in Europa darüber diskutiert, die Banken- und Finanzindustrie effektiver zu regulieren. Geschehen ist seither: ziemlich viel. Gelöst wurden allerdings nicht die wichtigsten Probleme. Ratingagenturen wurden zu mehr Transparenz verpflichtet, werden strenger überwacht. Hedgefonds müssen sich in Europa registrieren lassen, die Wetten auf Staatspleiten werden beschränkt. Gerade wurden in der EU Regeln für den 530-Billionen-Euro-Finanzderivate-Markt vereinbart. In kaum einem Segment der Finanzindustrie sind Gesetzgeber und Aufseher nicht aktiv geworden. Das oft beschworene Bild von der untätigen Politik trifft nicht zu.

Trotzdem blieb die Antwort auf den globalen Crash Stückwerk. An den Ansprüchen, wonach ein neuerlicher Big Bang auszuschließen sein muss, ist die Politik gescheitert. Denn Ursprung der Krise waren weder die nun strikter beaufsichtigten Hedgefonds noch die Ratingagenturen, sondern klassische Banken. Da wurde den Bürgern ein „große_Wurf" in Aussicht gestellt: „Wir brauchen Regeln, und zwar für jedes Produkt, für jeden Platz, an dem gehandelt wird, und für jedes Institut", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Herbst 2009. Keine Bank dürfe mehr so groß sein, „dass sie wieder Staaten erpressen darf".

Das Erpressen geht aber munter weiter. Noch immer sind einige Großbanken „too big to fail" und müssen in jeder neuen Krise mit Milliarden gerettet werden. Riskante Geschäfte wurden zwar transparenter gemacht, aber - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nicht verboten. Das Regulierungsprojekt steht also erst am Anfang. Abgearbeitet wurden überwiegend Nebenschauplätze.
Wer weiterkommen will, kommt an der Grundsatzfrage nicht vorbei: Welche Form des Kapitalismus wollen wir? Im Prinzip ist dabei zu entscheiden, welche Teile der in den 1980er- und 1990er-Jahren durchgeführten Deregulierung der globalen Finanzindustrie rückgängig gemacht werden sollen. Denn wer Risiken nachhaltig minimieren will, muss Geschäfte nicht nur transparenter machen, sondern einige schlicht verbieten. Wer das „Too big to fail"-Problem lösen will, muss in letzter Konsequenz über die Zwangsaufteilung von Banken nachdenken.

Diesem Diskurs stellten sich bisher vor allem Exoten wie Attac, Occupy Wall Street und einige wenige Ökonomen. Die etablierten Parteien, allen voran Konservative und Sozialdemokraten, verschließen davor die Augen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.2.2012)