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In Salvador da Bahia ist der Streik beendet - in Rio soll er beginnen.

Foto: EPA/MARCELLO CASAL JR./AGENCIA BRASIL

Die Protestbewegung brasilianischer Polizisten zieht Kreise. Zwar beendeten am Donnerstag in Salvador da Bahia 245 Militärpolizisten ihre zehntägige Besetzung des Landesparlaments, dann aber stimmten ihre Kollegen in Rio de Janeiro für einen unbefristeten Streik. Am Zuckerhut sollen jetzt während des Karnevals, der in einer Woche seinen Höhepunkt erreicht, statt der Polizei 14.000 Soldaten für Sicherheit sorgen.

Rios Polizisten und Feuerwehrleute fordern eine Verdreifachung ihres Mindestlohns auf umgerechnet 1540 Euro. Ihre Löhne gehören zu den niedrigsten in ganz Brasilien. Unklar war am Freitagmorgen, wie viele der insgesamt 70.000 Polizisten und Feuerwehrleute sich dem Ausstand anschließen wollen. Polizei- und Regierungssprecher versuchten, die Bevölkerung zu beruhigen. "Es wird ein friedlicher Streik", sagte Francisco Chao, ein Sprecher der Zivilpolizei, "Vandalismus kommt nicht infrage".

In Lager gespalten

Bei den Protesten in Bahia hatten Polizisten Busse in Brand gesteckt, die Mordrate verdoppelte sich. Vor allem nachts hatte sich Salvador zeitweise in eine Geisterstadt verwandelt. Über die Fortsetzung des dortigen Streiks, der auch dort den Straßenkarneval empfindlich stören könnte, sind die Militärpolizisten gespalten.

Präsidentin Dilma Rousseff kritisierte vorgestern die Auswüchse der Proteste und lehnte eine Begnadigung von Streikführern ab. "Für Straftaten darf es keine Amnestie geben", sagte die linke Staatschefin, "sonst werden wir ein Land ohne Spielregeln."

Teilamnestien in den Jahren 2010 und 2011

Gerade die derzeitige Krise zeige "strukturelle Mängel" des brasilianischen Rechtsstaates und der Sicherheitspolitik, beklagen Experten und verweisen auf Teilamnestien für streikende Polizisten aus dem Jahr 2010 und 2011. "Unsere Militärpolizisten sind nicht für die Demokratie ausgebildet", meint der frühere Richter Wálter Maierovitch. Die Polizisten dürfen sich nicht gewerkschaftlich organisieren, geschweige denn streiken. Deshalb haben sie sich in oftmals konkurrierende "Vereinigungen" zusammengeschlossen, über die die Proteste koordiniert werden. "Aber niemand geht gegen diese Vereinigungen vor, denn natürlich wissen alle, dass die Polizistenlöhne lächerlich niedrig sind", sagt Maierovitch.

Verständnis zeigt er für die Forderung nach einer Verfassungsänderung, die derzeit auf Eis liegt. Darin sind für die Polizisten verbindliche Mindestlöhne vorgesehen. Die Abstimmung darüber war wegen knapper Kassen auf 2013 verschoben worden. (Gerhard Dilger aus Porto Alegre, DER STANDARD-Printausgabe, 11./12.2.2012)