Alternative Sitzmöglichkeiten: Cafeteria und Lounge Chairs wie etwa im neuen Coke-Office im Wiener Euro Plaza sind das Um und Auf in einem Großraumbüro, sagen Architekten.

Foto: Coca-Cola

In den 31 Quiet Booths bei Coca-Cola können sich die Mitarbeiter ungestört zurückziehen.

Foto: Coca-Cola

Wien - Gibt man im Google den Begriff "Großraumbüro" ein, eröffnet sich schon auf den ersten Blick die größte Schwierigkeit dieser zeitgenössischen Arbeitsform. Unter den höchst gereihten Ergebnissen finden sich Titel wie etwa "Großraumbüro macht krank", "So überleben Sie im Großraumbüro" oder etwa "Absolute Tabus im Großraumbüro".

Zahlreiche Studien der letzten Jahre belegen, dass in großen Arbeitsstrukturen mit wenig Privatsphäre die Mitarbeiter deutlich empfindlicher gegen äußere Einflüsse sind, dass sie verstärkt über Beklemmung und Kopfschmerzen klagen, dass sie zu Aggression tendieren und dass letztendlich auch die Zahl der Krankenstandstage steigt - ganz zu schweigen von der sinkenden Arbeitsleistung.

Rückzugsbereiche sind wichtig

"Großraumbüros haben einige Vorteile wie etwa verstärkte Kommunikation unter den Mitarbeitern und Schaffung von Synergien im Arbeitsablauf", sagt Georg Soyka vom Wiener Architekturbüro Soyka Silber Soyka. "Wir arbeiten selbst auch in einem Großraumbüro, und ich kann bestätigen, dass das gut funktioniert." Es sei aber zu beachten: "Die riesige Flächeneinsparung, die sich viele erhoffen, kann man mit einem Großraumbüro nicht erzielen. Denn damit dieses System klappt und damit sich die Mitarbeiter wohlfühlen, müssen ein paar wichtige Punkte befolgt werden."

Neben einigen essenziellen Anforderungen wie optische Strukturierung, Einsatz von Pflanzen und einwandfreie Akustik ist das wichtigste Kriterium nämlich die Schaffung von privaten Rückzugsbereichen. Darin sind sich Architekten und Fachplaner einig. "Aus meiner Beobachtung kann ich sagen, dass in einem Großraumbüro ohne Chill-out-Areas, ohne Cafeteria und ohne abschließbare Zellen für Telefonate und Powernapping der Aggressionspegel steigt", sagt der Wiener Architekt Andreas Burghardt, "das geht bis hin zu Stellvertreterkriegen".

20 Prozent Lounge-Fläche

Burghardt empfiehlt daher, die alternativen Arbeits- und Lounge-Flächen in einem Großraumbüro so groß und unterschiedlich wie möglich zu gestalten. "Es muss Bereiche geben, wo man völlig ungestört und unbeobachtet ist, und sei es nur für ein Nickerchen." Architekt Soyka beziffert den nötigen Anteil an sogenannten Quiet Booths und Lounges auf rund 20 Prozent der herkömmlichen Bürofläche: "Weniger ist nicht empfehlenswert."

Ein Beispiel für die Gestaltung von Großraumbüros ist die neue, kürzlich eröffnete Wiener Niederlassung von Coca-Cola am Euro-Platz in Wien-Meidling. Statt wie bisher in Einzelbüros zu sitzen, sind die rund 140 Mitarbeiter nun in Großraumbüros untergebracht. Die in Zusammenarbeit mit dem Immobilienspezialisten Inter-Pool erfolgte Innenraumplanung umfasst Quiet Booths in allen unterschiedlichen Farben und Formen.

Der Quotient ist ungewöhnlich hoch: Pro 4,5 Mitarbeiter entfällt eine individuelle, vier Quadratmeter große Rückzugszelle zum Telefonieren, Brainstormen oder einfach nur Schlafen. Der scheinbare Luxus hat sich ausgezahlt: Der anfängliche Großraumprotest der Mitarbeiter ist nach wenigen Wochen abgeklungen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.2.2012)