Dass Richterin Sonja Arleth ihre aufsehenerregenden Freisprüche im Tierschützerprozess in der schriftlichen Urteilsbegründung weiter präzisieren werde, war zu erwarten. Denn mit ihrer Schlussfolgerung, dass die Suppe in allen Anklagepunkten zu dünn sei, hatte sie Polizei und Staatsanwaltschaft schon im Mai eine schallende Ohrfeige verpasst. Jahrelange Ermittlungen, Lauschangriffe, Einsatz einer verdeckten Ermittlerin - und dann das! Wer sich, wie Arleth, derart exponiert, muss sich das davor sehr genau überlegt haben - und mutig sein.

Dieser Mut hat die Schwächen bei Ermittlern und der zuständigen Staatsanwaltschaft klar zutage treten lassen. Wie konnte es sein, dass in all den Jahren polizeilicher Nachforschungen ohne wirklich stichhaltige Ergebnisse niemand je auf die Bremse stieg? Warum wurde diese Anklage vor Gericht gebracht?

Es könnte mit mangelndem Fairplay bei Fahndern und Anklägern zu tun haben, das in einem Rechtsstaat wie Österreich ein ernstes Risiko darstellt. Denn die Gesetze, mit denen man moderne Formen der Kriminalität bekämpfen will, werden von Jahr zu Jahr zugespitzt: Als Nächstes soll im Rahmen der Sicherheitspolizeigesetznovelle die Observierung von Einzelpersonen abgesegnet werden. Um hier Missbrauch auszuschließen, müsste eine grundlegende Achtung gegenüber Andersdenkenden walten. Die Tierschützercausa zeigt: In Österreich existiert diese wohl nicht. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 10.2.2012)