Universalist Renald Deppe: "Mozart und Wagner waren große Veranstalter."

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 Ein Gespräch über den Sinn des Veranstaltens und die Wichtigkeit von Musiker-Eigeninitiativen.

Wien - Niemand hätte erwartet, dass es Brot geben würde, in dem alte Lira- und Dollarscheine als nahrhafter "Ballaststoff" verarbeitet wurden. Nicht bei einem Konzert, nicht im Porgy & Bess. Dann aber hat es auch noch ganz gut geschmeckt und somit das Niveau der Veranstaltung gehalten, bei der Götz Burys witzige kochshowartige Unterweisung in die nahende Wertlosigkeit des Geldes ("Dann könnt ihr es zumindest essen!") von freier Improvisation gewürzt wurde.

Aber Renald Deppe, der neben Franz Hautzinger und Bernhard Breuer am Saxofon impulsiv agierte und der die Reihe Lost & Found in der "Strengen Kammer" des Porgy & Bess kuratiert, hat ja Ungewöhnliches "angedroht". Was ihm bei Lost & Found vorschwebt, soll über reine Konzerte hinausgehen, einen "interdisziplinären Charme" entfalten, soll ein "Ort des Diskurses sein. Es gibt ja Schubladen für vieles, aber Plattformen, auf denen sich verschiedene Disziplinen treffen, wenig", so der Bochumer (Jahrgang 1955).

Nun ist aber Deppe Zeichner, Improvisator und Komponist. Warum denn auch noch Veranstalter? "Man kann das Militär nicht nur den Militaristen überlassen. Und man kann das Veranstalten nicht den Veranstaltern überlassen. Es muss, denn es war immer so, eine Durchmischung geben. Wagner und Mozart waren große Veranstalter. Ein Komponist im Elfenbeinturm, der alles andere machen lässt, das ist ein Klischee." Es sei wichtig, den Musikern auch zu signalisieren, "dass sie nicht warten müssen, bis sie angerufen werden. Wenn sie glauben, es gebe keine guten Räume für sie, sollen sie selbst welche schaffen. Den großen Traum, bei Festivals wie Wien Modern präsent zu sein - den muss man nicht anstreben. Es kann ja verschiedene Gründe geben, warum es nicht klappt. Also mache ich doch mein eigenes Wien Modern; das kann genauso kostbar sein."

Musik und mehr beherrschen

Deppe sieht ja in Musikern heute Ich-AGs, die von Hochschulen ohne das nötige Überlebensrüstzeug in die Realität des Berufs entlassen werden. "Es wird ein Berufsbild vermittelt, das nicht der Wirklichkeit des Musikerlebens entspricht. Du musst die Musik beherrschen, klar. Aber genauso musst du arbeitsrechtlich, urheberrechtlich und veranstaltungsrechtlich versiert sein. Es kann nicht jeder Wiener Philharmoniker werden. Und wo bleiben denn die viele Ausgebildeten, die es nicht geworden sind?" Natürlich, so vielseitig wie Deppe zu sein, das hat auch schon wieder etwas von philharmonischer Virtuosität. Der Mitbegründer des Jazzclubs Porgy & Bess hat in den 1990ern mit den Kulturspektakeln in der Stadtinitiative Pionierarbeit geleistet, bei den Graben-Festtagen interessante Programme ersonnen. Auch trug das Linzer Festival 4020 seine Handschrift, wie auch die Capella con Durezza und die Wachauer Pestbläser. Und es liegt auch eine Oper in der Schublade, um deren Umsetzung "ich mich 2013 kümmern will".

Ja, und da sind noch zwei kleine Lehraufträge. In Linz bezüglich Musikanalyse und an der Wiener Musik-Uni am Institut für Kulturmanagement mit einer "Vorlesung ohne Namen: Da geht es eher um eine Schule der Wahrnehmung, die Strukturen des Musiklebens betreffend. Aber auch: Wie wird budgetiert, wie definiert sich in einem Subventionsantrag der Bereich ,Eigenleistung'." Wer die "Strenge Kammer" betritt, muss jedenfalls nicht fürchten, eine finanzielle Eigenleistung erbringen zu müssen. Das Motto lautet "Pay as you wish", und das laufe "sehr gut", meint Deppe, der seine Kuratorentätigkeit übrigens unentgeltlich leistet.

"Wir leben in Zeiten des akademischen Proletariats. Viele Menschen mit abgeschlossenem Studium haben kein fixes Einkommen, aber ein kulturelles Interesse. Für die sind 20 Euro Eintritt unmöglich, aber 50 Cent hat jeder, fünf, sieben Euro wohl auch. Die Musiker spielen um Eintritt, je kleiner die Besetzung, desto größer also die Wahrscheinlichkeit, dass man hernach von der Summe essen gehen kann." Nachdem man mit dem Publikum zu Ende diskutiert hat, versteht sich. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2012)