Die Zukunft des Wassers gehört für Pavel Kabat zu den dringendsten Problemen des Planeten.

Foto: Iiasa

STANDARD: Vor zwei Wochen wurde das Iiasa in einem Ranking der wichtigsten Thinktanks der Welt in der Kategorie „Wissenschaft" auf Platz 13 gewählt. Können Sie damit etwas anfangen?

Kabat: In meinen Augen ist das Iiasa jedenfalls ein ganz besonderes wissenschaftliches Institut, das sich von allen anderen Forschungseinrichtungen nicht nur in Europa unterscheidet. Das ist macht auch seine Existenzberechtigung aus. Denn wäre es mit der Uni Wien oder der Uni Stanford vergleichbar, würde man es nicht wirklich brauchen.

STANDARD: Was ist so besonders am Iiasa?

Kabat: Das Institut kann eine Art wissenschaftlichen Schirm bieten, der für viele andere Einrichtungen von Nutzen ist. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Wir werden in den nächsten Monaten für das Wissenschaftsmagazin Science gemeinsam mit den einschlägigen Experten unter anderem von Harvard und dem MIT einen Text erarbeiten, in dem gezeigt wird, wie das wissenschaftliche Systemdenken die Welt verändert hat. Die Redaktion dieses Textes übernehmen wir hier am Iiasa. Etwas Ähnliches passiert mit den Ergebnissen einer von uns vor drei Wochen veranstalteten Tagung über die Wirtschaft in Mittelosteuropa, bei der Wirtschaftsnobelpreisträger ebenso anwesend waren wie Spitzenpolitiker aus diesen Ländern.

STANDARD: Wie wichtig ist dabei die eigene Forschung?

Kabat: Das ist die Voraussetzung dafür, die Rolle eines unabhängigen Thinktanks zu erfüllen. Umgekehrt ist die Unabhängigkeit wichtig, um die besten Köpfe aus der Wissenschaft zu kriegen.

STANDARD: Was machen diese Leute am Iiasa?

Die betreiben bei uns hochspezialisierte Grundlagenforschung - allerdings in einem einzigartigen interdisziplinären Rahmen: Mathematiker arbeiten hier mit voll integriert mit Klimaforschern oder und Ökonomen integrativ zusammen.

STANDARD: Gibt es das nicht auch anderswo?

Kabat: Am Iiasa kommt noch dazu, dass hier interdisziplinäre Grundlagenforschung zur Analyse von allen möglichen Systemen eingesetzt wird. Und dieses Wissen dient wiederum dazu, Lösungsansätze für unsere drei globalen Schwerpunkte zu erarbeiten: Nahrung und Wasser, Energie und Klima sowie Armut und Gerechtigkeit.

STANDARD: Wie sieht es mit der Umsetzung dieses Expertenwissens aus? Hapert es nicht gerade daran, dass etwa die ganzen großen Konferenzen etwa zum Klimawandel weitgehend ergebnislos blieben?

Kabat: Das ist ein Problem: Es wird viel in die wissenschaftliche Vorbereitung gesteckt, aber zu wenig in die politische Umsetzung. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, weil ich in den vergangenen Jahren bei vielen dieser internationalen Foren in Kyoto, Rio oder zuletzt in Johannesburg als wissenschaftlicher Experte mit dabei war. Aber auch da will ich mit dem Iiasa etwas ändern und neue Formen der Umsetzung versuchen.

STANDARD: Und zwar welche?

Kabat: Wir werden uns erstens um die Organisation einer großen Ministerkonferenz bemühen, um Entscheidungsträger nach Wien zu bringen und so einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung von Rio zu leisten. Das Iiasa berät zweitens aber auch die Uno und wir haben quasi einen direkten Draht zu Generalsekretär Ban Ki-moon. Drittens sind wir gerade dabei, die größte Assessment-Studie über die Zukunft der Energie zusammenzustellen, an der 300 Forscher aus der ganzen Welt fünf Jahre lang arbeiten. Diese Studie wird Szenarien für die nächsten 10, 20, 50 und 100 Jahre liefern. Und da gibt es auch enge Kontakte mit Entscheidungsträgern aus der Wirtschaft und NGOs. Ich setze da sehr stark auf Public-Private-Partnership.

STANDARD: Das klingt alles sehr ambitioniert - womöglich zu ambitioniert?

Kabat: Wir arbeiten auch auf nationaler Ebene, die ebenfalls wichtig ist. Erst vor wenigen Tagen erhielt ich den Auftrag der norwegischen Regierung, am Iiasa ein Konzept zu erarbeiten, wie man mit den Ölreserven den Umstieg in eine grüne Ökonomie bewerkstelligen kann. Ein ähnlicher Auftrag kam aus Südkorea. Wir wollen uns aber sowohl bei den globalen wie bei den internationalen Projekten noch stärker als bisher auch um die Umsetzung der erarbeiteten Strategien bemühen - und ich glaube, dass uns das gelingen kann.

Standard. Sie selbst sind einer der weltweit führenden Wasserexperten. Was sind denn da die großen globalen Herausforderungen? Und wie könnte man sie angehen?

Kabat: Wasser ist eines der dringendsten Probleme, weil es schon in den nächsten 20 Jahren von höchster Relevanz sein wird. Hauptsächlich geht es dabei um die Frage der Wasserressourcen und um das Risiko von Überflutungen. Bis vor zwei, drei Jahren gab es in Sachen Wasserressourcen nur relativ ungenaue Einschätzungen mit einer sehr hohen Ungenauigkeit. Bei den neuen Modellen, die jetzt vom Iiasa mitausgearbeitet werden, soll sich das ändern.

STANDARD: Und zwar wie?

Kabat: Zu einen hat sich die Datenlage wesentlich verbessert, und wir werden uns bemühen, alle verfügbaren Zahlen in die sehr viel komplexeren Modelle einfließen zu lassen. Es geht bei der Zukunft der Wasserressourcen nicht nur um die Veränderung der des Klimas, sondern auch um komplexe demografische, wirtschaftliche und technische Veränderungen - wie etwa die Fortschritte in der Wasseraufbereitung -, die mitzumodellieren sind, um robuste Aussagen über die Zukunft machen zu können. Und diese Modelle wird es sowohl auf globaler Ebene wie auch für einzelne Regionen geben.

STANDARD: Sie sind seit 1. Februar neuer Iiasa-Direktor. Bewirbt man sich für so einen Job?

Kabat: Nein,man wird gefragt, ob man ihn machen will. Und als man mich fragte, habe ich mich sehr gefreut, weil ich von der einzigartigen Bedeutung des Instituts überzeugt bin. Ich habe mich in meiner gesamten wissenschaftlichen Laufbahn stets mit Fragen des globalen Wandels beschäftigt, was für den Job zweifellos wichtig ist. Außerdem bringe ich Erfahrung bei der Arbeit in wissenschaftlichen Netzwerken mit - aber auch in der Forschungsförderung.

STANDARD: Apropos: Wie sieht es mit dem Budget des Iiasa aus?

Kabat: Unser Budget setzt sich aus drei Teilen zusammen: den Beiträgen der Mitgliedsstaaten, den eingeworbenen Projektmitteln, die von internationalen Einrichtungen wie der Uno oder der Weltbank stammen, und dann gibt es eine private Stiftung für Notfälle. Im Moment steht das Institut sowohl finanziell als auch wissenschaftlich sehr gut da. Wir haben im Moment 18 Mitgliedsstaaten, ihre Zusammensetzung hat sich in den letzten Jahren leicht verändert. Die Mitglieder zahlen pünktlich, und der größte Anteil kommt nach wie vor von den USA. In den letzten drei Jahren gab es sogar Budgetüberschüsse. Dieses Geld werden wir zum Teil dafür nützen, junge Forscher zu fördern.

STANDARD: Wollen Sie auch an der Mitarbeiterstruktur etwas verändern? Wie sieht es mit den Iiasa-Mitarbeitern aus, die eine fixe Anstellung haben?

Kabat: Niemand am Iiasa hat eine Daueranstellung. Es gibt hier einen sehr starken Wettbewerb um die Arbeitsplätze, und Anstellungen werden immer nur von einem Jahr auf das nächste nach Maßgabe der wissenschaftlichen Leistungen verlängert. Mein Ziel ist es, dass in Zukunft die Hälfte des Iiasa-Basisbudgets an die exzellenten Gastforscher geht, die an unser Institut kommen. Bis jetzt ist das nur ein Viertel.

STANDARD: Warum ist Ihnen das so wichtig?

Kabat: Ich will, dass künftig die besten jungen Forscher nicht nur einen Sommer lang nach Laxenburg kommen, sondern drei Jahre lang. Bis jetzt war es so, dass es Geld für ein Projekt - Beispiel: globale Wasserversorgung - gab, dann suchte man dafür den am besten geeigneten Projektleiter, der alles weitere plante. Das dauerte alles relativ lange. In Zukunft wollen wir drei oder vier exzellente Postdoktoranden engagieren, die aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven quasi sofort mit ihrer Forschung zum Thema beginnen. Dazu werden dann Topforscher aus der ganzen Welt ein bis drei Monate hier her kommen, um mitzuarbeiten.

STANDARD: Noch relativ wenig profitieren bis jetzt die österreichischen Unis vom wissenschaftlichen „Schirm" des Iiasa und den Gastforschern. Wollen Sie auch daran etwas verändern?

Kabat: Ja, und ich habe heute Mittwoch ein Gespräch mit Wissenschaftsminister Töchterle genau über diese Frage. Es gibt jetzt schon Kollaborationen unter anderem mit der Boku oder der TU Wien. Ich werde aber auch mit den Leitern anderer Einrichtungen reden. Da geht es aber nicht nur um wissenschaftliche Fragen, zumal es am Iiasa auch viel Erfahrung mit der internationalen Forschungsförderung gibt, die wir gerne teilen. Gerade bei der Förderung von Forschungen zum globalen Wandel sehe ich bei allen großen Fördereinrichtungen in den USA und Europa erhebliche Umstrukturierungen, von denen aus das Iiasa und damit auch österreichische Einrichtungen profitieren können. (DER STANDARD, Printausgabe, 08.02.2012)