Unternehmer, Mäzen und seit kurzem Politiker: Bidsina Iwanischwili, der laut dem Magazin "Forbes" 5,5 Milliarden Dollar besitzt, in seiner Geschäftszentrale ... 

Foto: Standard/Montik

... auf dem Mtazminda-Berg oberhalb der georgischen Hauptstadt Tiflis.

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Im Gespräch mit Tatjana Montik in Tiflis erläutert Bidsina Iwanischwili seine Motive und Ziele.

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STANDARD: Sie haben sich so lange mit Ihren Geschäften, mit Wohltätigkeit und Mäzenatentum beschäftigt. Plötzlich landen Sie in der Politik. Was gab den Anstoß?

Iwanischwili: Meine Familie und ich waren kurz davor, unserer Heimat den Rücken zu kehren. Nach den Ereignissen der letzten Wahlen im Jahr 2008, als diese Regierung nicht mehr legitim an die Macht kam, habe ich mich vom Präsidententeam verabschiedet. Seither habe ich die politischen Lager beobachtet. Dabei fiel mir auf, dass diese vom Präsidenten derart "ausbalanciert" waren, dass es keine wirklichen Oppositionsparteien mehr gab. Dazu hat unsere Regierung unser ganzes Land monopolisiert. Sie bereitete eine Art Singapurisierung vor. Es gibt bei uns kein freies Unternehmertum, und Geld haben nur jene, die denen an der Macht nahestehen. Ich blieb der einzige unabhängige Unternehmer, und sie hielten mich stets unter der Lupe.

STANDARD: Wie weit sind Sie bereit zu gehen, wenn Sie Präsident Saakaschwili herausfordern?

Iwanischwili: Ich werde bis zum siegreichen Ende kämpfen, ich kenne keinen Weg zurück.

STANDARD: Haben Sie sich über die Unterstützung des georgischen Kirchenpatriarchen Illia II. gefreut, als er öffentlich forderte, der Präsident solle Ihnen die georgische Staatsbürgerschaft zurückgeben? Saakaschwili scheint sich im Gegensatz dazu bisher nicht zu trauen, darüber öffentlich zu sprechen, dass er einen ernsthaften Opponenten bekommen hat ...

Iwanischwili: (lacht) Unser Präsident traut sich aus irgendeinem Grunde nicht, meinen Namen öffentlich auszusprechen. Unser Patriarch ist ein sehr kluger Mann. Ich war natürlich froh, dass er sich öffentlich äußerte, obwohl ich das nicht überschätzen möchte. Ich möchte nicht, dass sich die Kirche in die Politik einmischt.

STANDARD: Glauben Sie, dass es faire Wahlen geben wird und Sie in deren Zuge einfach an die Macht gelangen?

Iwanischwili: Natürlich wird es keine fairen Wahlen geben. Es wird nicht einfach sein zu gewinnen in einer Situation, wo 95 bis 99 Prozent der Medien vom Staat kontrolliert werden. Aber Georgien ist ein kleines Land, und die Nachrichten verbreiten sich hier sehr schnell. Und ich kann meine Informationsblätter sogar über die einfachen Briefträger den Menschen zukommen lassen. Wir bekommen die absolute Stimmenmehrheit.

STANDARD: Die absolute Mehrheit?

Iwanischwili: Sie werden nicht 30 bis 50 Prozent der Stimmen fälschen können. Weder die Europäer noch die Amerikaner würden es Ihnen verzeihen.

STANDARD: Also braucht man in Georgien demnächst keine Revolution zu erwarten.

Iwanischwili: Um Himmels willen! Keine Revolution bitte. Ich werde an keiner Revolution teilnehmen.

STANDARD: Aber die Rosenrevolution 2003 war doch friedlich ...

Iwanischwili: Im Prinzip ja, aber eine Revolution ist trotzdem kein richtiger Weg, denn nach Revolutionen werden die Hoffnungen in der Regel enttäuscht. Wenn das Volk aber alles bewusst macht und sich nicht durch Emotionen leiten lässt, wird alles anders. Ich möchte in der neuen Geschichte Georgiens einen Präzedenzfall schaffen, bei dem die Wahlen fair verlaufen und die Wähler wissen, wen und warum sie wählen.

STANDARD: Wie kann Georgien seine territoriale Integrität zurückgewinnen?

Iwanischwili: Es wird nicht einfach werden. Und ich möchte keine Illusionen diesbezüglich schaffen. Zum einen müssen wir nach Bereichen suchen, bei denen unsere Interessen mit jenen Russlands zusammenfallen. Denn für Russland sind solche separatistischen Regime wie in Abchasien und Südossetien (von Georgien abgespaltete Regionen, Red.) gefährlich, denn der russische Nordkaukasus selbst besitzt ein großes Explosionspotenzial. Zum anderen müssen wir in Georgien eine Demokratie aufbauen, damit Georgien sowohl für die Abchasier als auch für die Osseten als Land interessant wird. Wie können sie jetzt zu uns zurückkehren, wenn sogar georgische Bürger aus unserem Land fliehen?

STANDARD: Kann Georgien Nato-Mitglied werden, ohne Russland zu reizen?

Iwanischwili: Ich glaube nicht, dass wir wählen müssen. Eine Nato-Mitgliedschaft ist für uns sicher der beste Schutz. Den können wir erreichen, ohne dass Russland gereizt ist. Dafür gibt es ja die Diplomatie. Die Nato selbst ist in letzter Zeit bestrebt, sich an Russland anzunähern. Warum soll das für Georgien nicht möglich sein? Aber die Nato ist nur an Mitgliedern interessiert, die demokratische Institutionen entwickelt haben. Und unser Staat hat das noch nicht.

STANDARD: Ihnen, einem Georgier, entzieht der Präsident die Staatsbürgerschaft, und Bürger anderer Staaten macht er zu Georgiern und entsendet sie sogar ins Ausland als georgische Botschafter. Was halten Sie von Gabriela von Habsburg, die als georgische Botschafterin in Deutschland arbeitet?

Iwanischwili: Gabriela von Habsburg ist mir persönlich sehr sympathisch, und es ist gut, dass sie zum Wohle Georgiens arbeitet. Aber grundsätzlich wirft bei mir eine solche Personalpolitik viele Fragen auf. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass ich diese Politik fortsetzen würde.

STANDARD: Man munkelt, Iwanischwili sei ein Politiker, auf den sich mindestens Europa und Russland geeinigt hätten ...

Iwanischwili: (lacht laut) Und Amerika mit dazu! Schön, wenn es so wäre. Aber ich konnte es mir nicht erlauben, mich mit jemandem darüber zu verabreden. Ich habe angefangen, direkt mit dem georgischen Volk zu sprechen. Erst als ich das gemacht hatte, traf ich verschiedene Botschafter. Ihre Reaktion auf mein Erscheinen in der Politik war äußerst positiv. Und ich konnte mich davon überzeugen, dass sie über alles gut Bescheid wissen - sowohl die Amerikaner als auch die Europäer und auch, wenn Sie wollen, die Russen. Alle warten auf eine Wende. Und diese Wende wird es geben. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.2.2012)