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Emil Boc.

Foto: EPA/ROBERT GHEMENT

Bukarest - Nach wochenlangen Massenprotesten gegen sein Sparprogramm hat der rumänische Ministerpräsident Emil Boc am heutigen Montag das Handtuch geworfen. In einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung erklärte der bürgerliche Politiker seinen Rücktritt, um "die politische und soziale Situation im Land zu entschärfen und die mit so großen Entbehrungen erzielte wirtschaftliche Stabilität nicht zu gefährden". Staatspräsident Traian Basescu ernannte umgehend den parteilosen Justizminister Catalin Predoiu zum interimistischen Regierungschef.

Beobachter rechnen damit, dass Rumänien nun wie Griechenland und Italien eine Technokraten-Regierung bekommen wird, die das Land bis zu den im November stattfindenden Parlamentswahlen lenkt. Die liberale und linksgerichtete Opposition begrüßte den Rücktritt von Boc, bekräftigte aber ihre Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen. Am Montagnachmittag wollte Staatspräsident Basescu mit den Parteiführern über die weitere Vorgangsweise beraten.

Übergangspremier Predoiu soll bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt bleiben. Der 43-Jährige stammt aus der Nationalliberalen Partei (PNL) des führenden Oppositionspolitikers Crin Antonescu, die seit Wochen vehement vorgezogene Neuwahlen fordert. Predoiu war im Jahr 2008 unter dem PNL-Politiker Calin Popescu Tariceanu Justizminister geworden und behielt sein - für die Beziehungen Rumäniens zur EU äußerst wichtiges - Amt auch nach dem Gang der PNL in die Opposition und mehreren weiteren Regierungswechseln bei. Sein Parteibuch hatte er nach einer entsprechenden Aufforderung der PNL abgegeben. Im zuletzt regierenden Kabinett Bocs aus den bürgerlichen Liberaldemokraten (PDL) und der Ungarnpartei (UDMR) war Predoiu der einzige parteilose Ressortchef.

PNL-Chef Antonescu begrüßte den Rücktritt von Boc. Er beschrieb die Regierung Boc als "korrupteste, inkompetenteste und lügnerischste" in der Geschichte Rumäniens nach der Wende 1989. Oppositionsführer Victor Ponta, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (PSD), betonte, dass das Oppositionsbündnis "Sozialliberale Union" (USL), zu dem neben PNL und PSD auch die Konservative Partei (PC) gehört, nun "die Verantwortung trage, verantwortliche Lösungen zu bieten und (...) nach den vorgezogenen Wahlen eine andere Regierung als die der letzten Jahre zu stellen".

Die Regierung Boc hatte Mitte 2010 ein drakonisches Sparpaket durchgesetzt, in dessen Rahmen unter anderem die Gehälter im gesamten öffentlichen Sektor um ein Viertel gekürzt und die Mehrwertsteuer von 19 auf 24 Prozent erhöht wurde. In den vergangenen Wochen hatten sich die Proteste gegen das Sparprogramm intensiviert. Seit drei Wochen finden in mehreren Städten täglich Massenproteste gegen die Regierung statt.

Wegen eines massiven Einbruchs der Umfragewerte war jüngst auch die Nervosität in der Regierungspartei PDL gewachsen. Medienberichten zufolge kritisierten zahlreiche Parteimitglieder die mangelnde Führungsstärke von Regierungschef Boc.

Mit seinem Rücktritt versucht Boc offenbar den umstrittenen Sparkurs seiner Regierung zu retten. Die so schwer erreichte wirtschaftliche Stabilität "muss um jeden Preis erhalten werden", sagte er in seiner Rücktrittsrede. Er verwies darauf, dass Rumänien im Vorjahr nach zwei Jahren Rezession wieder ein Wirtschaftswachstum verbuchen konnte. Mit 2,5 Prozent sei der Zuwachs unter den höchsten in der EU gewesen. Auch heuer soll das Wirtschaftswachstum über dem Durchschnitt der Eurozone liegen. Die Inflation befinde sich auf dem niedrigsten Niveau der letzten zwanzig Jahre und Rumänien habe mit rund 1.000 Euro Schulden pro Einwohner die EU-weit niedrigste öffentliche Verschuldung.

Boc hatte ab April eine leichte Anhebung der Gehälter und Pensionen in Aussicht gestellt, nachdem im Rahmen des Abkommens mit den internationalen Kreditgebern Rumäniens - dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der EU - das Budgetdefizit durch umfassende Reformen in den vorgegebenen Rahmen von maximal vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten wurde.

Zu den unerfüllt gebliebenen Zielen der Regierung Boc gehören die äußerst geringe Nutzungsrate der EU-Finanzierungen, die bei nur 3,7 Prozent liegt, und der außenpolitische Misserfolg bei der Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum. Dies scheiterte am Widerstand der Niederlande, die Rumäniens Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung und der Justizreform für nicht ausreichend befinden. (Reuters)