Die Kfz-Versicherung bietet ein weites Feld für Betrugsversuche. Die Versicherungsunternehmen kündigen meist nur Mehrfachtäter, auch zu Anzeigen kommt es nicht immer.

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Wien - Wer einen großformatigen Fernseher zu Weihnachten bekommen hat, sollte unbedingt Kleinkinder aus dem Haushalt entfernen. Denn die sind offenbar ganz versessen darauf, die Geräte umzustoßen und zu ruinieren. Zumindest, wenn man den Meldungen Geschädigter bei den Versicherungen glaubt.

"Es kommt immer wieder vor, dass die Kunden sagen, ihr Baby habe den fünf Kilogramm schweren Fernseher vom Regal gerissen", erzählt Wolfgang Reisinger, der Leiter der Schadenabteilung bei der Wiener Städtischen Versicherung. Es gibt aber noch kräftigeren Nachwuchs. "In einem Fall soll ein Dreijähriger eine 300 Kilogramm schwere Harley-Davidson umgeworfen haben. Wir haben dann nicht gezahlt."

Auswirkung auf Prämien

Um fünf Prozent niedriger könnten die Prämien sein, würde es keine Betrugsversuche mehr geben, schätzt Reisinger. Es gebe keinen altersmäßigen Unterschied, das Phänomen ziehe sich auch durch alle sozialen Schichten.

Eine Einschätzung, die Eric Eybl von der Generali-Versicherung teilt. Ein Prozent der Kunden werden dort überführt. Dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist, glaubt Eybl aber nicht - er fasst die Grenze zum strafrechtlich relevanten Betrug jedoch weiter: "Eine überhöhte Forderung ist noch lange kein Betrug." Denn das kommt ebenso immer wieder vor. Beim Diebstahl eines Fahrrads wird das zehn Jahre alte Zweirad dann zum modernen Mountainbike, nach Einbrüchen werden Rechnungen fingiert, um den gestohlenen Laptop teurer zu machen.

Manchmal ist der Trick allerdings etwas zu offensichtlich. "Wir haben jetzt gerade einen Fall gehabt, bei dem eine Notstandshilfeempfängerin nach einem tatsächlich stattgefundenen Einbruch angegeben hat, ihr seien 5000 Euro Bargeld und Schmuck um 40.000 Euro gestohlen worden", erzählt Wiener-Städtische-Mann Reisinger. Auch wenn ein Kunde für die 40-Quadratmeter-Wohnung eine Versicherungssumme von 200.000 Euro will, werde man stutzig.

Beliebte Kaskoversicherung

"Aber diese Fälle regen uns gar nicht mehr auf", gibt sich auch Reisinger abgeklärt. Neben der Haushaltsversicherung ist bei den 08/15-Kunden auch die Kfz-Kaskoversicherung als kreatives Tätigkeitsfeld beliebt. "Ein Kunde, der eine Urlaubskaskoversicherung abschließt und dann schon am zweiten Tag im Ausland einen Schaden meldet, wird genauer geprüft, da sich der Verdacht aufdrängt, dass der Unfall schon davor passiert ist."

Bei der Identifizierung möglicher Unregelmäßigkeiten helfen bei der Generali mehrere Methoden. "Wir haben Computerprogramme, die Auffälligkeiten registrieren, ein Stichprobensystem, bei dem ein beliebiger Fall genauer geprüft wird, und wir verlassen uns auf das Wissen altgedienter Referenten", sagt Eybl. Mittlerweile schaue man wieder genauer hin - "das ist aber für beide Seiten gut", ist er überzeugt.

"Verhandlungssache"

Werden Kunden ertappt, reagieren sie unterschiedlich. "In manchen Fällen reicht es, wenn wir einfach schreiben: ,Den Schadensfall können wir nicht nachvollziehen'", erzählt Eybl. "In den meisten Fällen hört man danach nie wieder etwas", schildert auch Reisinger. "Aber natürlich gibt es auch Hartnäckige, dann prüfen wir es auch weiter."

Für Reinhard Kreiss vom Institut für Kriminalsoziologie an der Uni Wien kann sich Hartnäckigkeit aber durchaus auszahlen. "Es ist natürlich auch manchmal Verhandlungssache", ist er überzeugt. Über die Soziologie von Betrügern gebe es aber wenig wissenschaftliche Untersuchungen. "Das Argument der Menschen sich selbst gegenüber ist meistens die Amortisierung - man hat so lange eingezahlt, jetzt will man auch einmal etwas zurück."

Kontrolldruck wirkt

Gesichert sei allerdings, "dass Betrug eine der wenigen Deliktformen ist, wo Kontrolldruck und Strafandrohungen wirken", sagt er. Dass allerdings Prämien wirklich sinken würden, wenn es weniger Betrugsversuche gibt, bezweifelt er eher.

Den Assekuranzen ist es jedenfalls in den meisten Fällen wichtiger, den Kunden zu behalten, als zur Polizei zu gehen. "Wir legen auf eine Kriminalisierung keinen Wert und kündigen auch nur Mehrfachtäter", sagt Reisinger. Mitunter gebe es zwar Anzeigen, doch die betreffen nur professionelle Betrüger.

Etwa die "Schussfahrer". Die provozieren Unfälle, indem sie die Rechtsregel ausnutzen und dann so überraschend in eine Kreuzung einfahren, dass sie "abgeschossen" werden. (Michael Möseneder, DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2012)