Die klassischen Ingenieurwissenschaften wie etwa Elektronik, Mechatronik oder Maschinenbau sind an den Fachhochschulen (FH) in Österreich derzeit nicht so stark nachgefragt. Beliebt sind Studien, bei denen die Anwendung der Technik klar im Fokus steht. Diesen Trend beobachtet Fritz Schmöllebeck, Rektor der FH Technikum Wien, seit geraumer Zeit.

Viele Studierende wollten sich schon vor Ausbildungsbeginn ein genaues Bild davon machen können, in welchen Bereichen sie nach Abschluss ihr Wissen einsetzen können. Deshalb hat man sich an der FH Technikum Wien auch dazu entschlossen, Curricula mit Inhalten anzubieten, die auf ganz konkrete Berufsbilder zugeschnitten sind. Wer einen Blick auf die Homepage der FH wirft, kann sich davon überzeugen.

Urbane erneuerbare Energietechnologien, Sports Equipment Technology, Biomedical Engineering, Game Engineering und Simulation etwa, aber auch Tissue Engineering and Regenerative Medicine bieten die Möglichkeit, sich entweder schon beim Bachelor oder aber erst beim Masterprogramm zu spezialisieren.

Dass gerade diese Studiengänge so positiv aufgenommen werden, freut Schmöllebeck sehr: "Hier in Wien haben wir im Unterschied zu anderen FHs die Möglichkeit dazu, auch sehr spezielle Ausbildungsschienen zu fahren. Unser Einzugsgebiet ist einfach sehr groß. Es lohnt sich also auch wirtschaftlich, diese maßgeschneiderten Studiengänge anzubieten."

Was aber nicht heißen soll, so Schmöllebeck im selben Atemzug, dass er sich nicht gleichzeitig auch ein viel größeres Interesse für die klassischen technischen Fächer wünschen würde. Aus einem ganz einfachen Grund: "Wir können den Bedarf der Industrie und Wirtschaft an Technikern und Technikerinnen bei weitem nicht stillen, so gerne wir das auch würden. In aller Regel bekommen die Studierenden schon während des Studiums die ersten Jobangebote. Aus Sicht der Absolventen und Absolventinnen könnte die Lager nicht besser sein."

Je abstrakter, desto prekärer

Wilhelm Burger, Dekan der FH Oberösterreich, sieht das genauso. Die Nachfrage steige auf beiden Seiten. Einerseits suchen immer mehr Unternehmer neue Mitarbeiter, und andererseits interessieren sich immer mehr Maturanten für ein technisches Studium an der FH OÖ. Die Bewerberstruktur ändere sich langsam: Der größte Teil der Studierenden rekrutiere sich nach wie vor aus Absolventen der höheren technischen Lehranstalten, aber auch immer mehr Maturanten von Handelsakademien fänden den Weg an die FH OÖ. Der Anteil derer, die von den allgemeinbildenden höheren Schulen kämen, bleibe hingegen konstant.

Allerdings "verkauften" sich die "weichen" Studiengänge wie Medientechnik und -design weit besser als die rein techniklastigen Studien: "Je abstrakter und technisch schwieriger die Programme eingeschätzt werden, desto prekärer ist die Bewerbersituation. Auch wir stellen fest, dass sich die Leute sehr für Nischen im technischen Segment begeistern.

Deshalb entscheiden sich ja auch manche FHs dazu, sehr spezielle Curricula anzubieten. Wir glauben allerdings, dass auf Dauer die allgemein gehaltenen Studiengänge überleben werden. Deshalb sind wir vorsichtig, immer wieder mit etwas Neuem aufzuwarten. Lieber wollen wir hier die 'Klassiker' lehren, und zwar auf höchstem Niveau."

Die Studierenden seien im Übrigen, so Burger, heute viel kritischer als früher. Es ginge ihnen nicht nur darum, was sie an der FH lernen könnten, sondern auch darum, wie unterrichtet werde und wer die Vortragenden seien.

Selbstbewusst und kritisch

Aber noch viele andere Faktoren spielen bei der Wahl der FH für die Studenten und Studentinnen in spe eine Rolle: "Die Interessenten wollen genau wissen, von welchen Unternehmen die Referenten kommen, welche Forschungsprojekte an der FH gerade laufen, welche Partneruniversitäten es gibt und welche Netzwerke ihnen hier hilfreich sein könnten", sagt Gerhard Pramhas, Geschäftsführer der FH Wiener Neustadt. "Niemand inskribiert hier, ohne sich zuvor ein umfassendes Bild gemacht zu haben", so Pramhas weiter.

Auch Schmöllebeck ist von der Herangehensweise seiner Studierenden beeindruckt: Die allermeisten Studierenden wüssten zwar genau, dass die Wahl eines technischen Studiums derzeit quasi einer Jobgarantie - noch dazu einer mit einem respektablen Einstiegsgehalt - gleichkomme. Das alleine sei aber für kaum jemanden die Motivation, sich für die Technik zu entscheiden: "Gerade jene, die sich in Zukunft in einem Green Job sehen, haben andere Visionen: Sie wollen einen Beitrag dazu leisten, die Welt nachhaltig ein bisschen besser zu machen, das treibt sie an."

Peter Oehler, Absolvent des Masterstudiengangs Urbane erneuerbare Energiesysteme an der FH Technikum Wien, ist ein Beispiel dafür. Nach dem Bachelor in Mechatronik und Robotik entschied er sich für einen Master, der ihn beruflich in eine ganz andere Richtung führen sollte: "Ich hätte natürlich in die Automobilbranche gehen und mich damit befassen können, wie ich noch schnellere, noch effizientere Autos entwickeln kann. Aber das war mir einfach zu wenig. Erneuerbare Energien, das hat mich schon viel mehr interessiert."

Heute arbeitet Oehler bei dem Unternehmen Crystalsol, einem kleinen, erfolgreichen Start-up, in der Produktforschung an der Entwicklung von neuen Solarzellen. Nachdem er schon neben seinem Studium in der Firma gejobbt hatte, nahm er nach Abschluss das Anbot eines Vollzeitjobs sofort an. Dass sein Berufseinstieg auch mit viel Risiko verbunden sein würde, nahm er dabei ganz bewusst in Kauf: "Natürlich konnte niemand wissen, wie sich so ein junges Unternehmen entwickeln wird. Das alles so gut laufen würde, war damals nicht absehbar. Aber das ist eben der Vorteil meiner technischen Ausbildung. Ich wusste, wenn es aus irgendeinem Grund schiefgeht, werde ich jederzeit wieder einen Job finden. Da ist es nicht schwer, gelassen zu sein."

Krisenresistente Perspektiven

Und zwar auch dann, wenn die Wirtschaftslage alles andere als rosig ist. Die Krise sei an den Technikern nahezu spurlos vorüber gegangen, sagt Werner Fritz, Studiengangsleiter Informationsmanagement an der FH Joanneum: "Die Arbeitsmarktsituation war weitgehend stabil, und seit 2010 merken wir, dass die Nachfrage an unseren Absolventen und Absolventinnen noch einmal stark angezogen hat. Österreich ist einfach ein wichtiger Standort für Forschung und Entwicklung. Und das Erfreuliche ist, dass auch die Industrie mittlerweile gesehen hat, dass wir hier an der FH ein Level haben, das mit dem der technischen Universitäten absolut mithalten kann."

Und im Unterschied zu den Unis werde auf Social Skills bei der Ausbildung an den FHs besonderer Wert gelegt: "Kommunikation und Präsentation sind fester Bestandteil in unseren Curricula. Denn die Kundenorientiertheit ist auch in technischen Berufen immer wichtiger. Dieses Schreckgespenst von den spröden Technikern, die den ganzen Tag wortlos vor ihrem Bildschirm verharren, ist gestrig."

Qualitätsmerkmale

Wer eine technische Ausbildung vorweisen kann, hat also jedenfalls einmal gute Karten. Trotzdem schauen künftige Arbeitgeber immer mehr darauf, an welcher Bildungseinrichtung die Bewerber ihren Abschluss gemacht haben, das Niveau scheint nicht überall das gleiche zu sein: "Der Studienort wird immer mehr zum Qualitätsmerkmal. Wir wissen genau, wo exzellent und wo nur gut ausgebildet wird", bestätigt Markus Tomaschitz, Geschäftsführer der Magna Education & Research.

Techniker suche sein Unternehmen händeringend, der Bedarf der Industrie an jungem Nachwuchs sei bei weitem nicht gestillt. "Dazu kommt, dass mittlerweile auch deutsche Unternehmen auf dem heimischen Markt fischen, und mit den süddeutschen Gehältern ist es nicht einfach mitzuhalten", so Tomaschitz weiter. Die Einstiegsgage kann sich dennoch sehen lassen. Zwischen 2300 und 2800 brutto liegt der Schnitt in der Branche, Magna, so Tomaschitz, zahlt sogar - je nach Qualifikation - zwischen 3200 und 3800 Euro brutto. (Judith Hecht, DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.2.2012)