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Attila Mesterházy: EU-Druck kann Orbán helfen, sich als Verteidiger der Nation zu präsentieren.

Foto: APA/EPA/Warnand

Wien - Druck der EU auf die Regierung in Budapest kann sich nach Ansicht des ungarischen Oppositionsführers Attila Mesterházy ähnlich auswirken wie seinerzeit die Sanktionen gegen Österreichs schwarz-blaue Koalition. "Das kann Orbán dabei helfen, sich als Verteidiger der Nation zu präsentieren, als Einziger, der die Ungarn schützt" , sagte der Chef der Sozialistischen Partei (MSZP) am Freitag bei einem Auftritt in Wien auf die entsprechende Frage des Standard. Orbán könne dabei auf das Medienimperium seiner Fidesz-Partei zurückgreifen.

Es stimme aber nicht, dass Ungarn von außen angegriffen werde, meinte Mesterházy unter Hinweis auf die von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren (Unabhängigkeit der Nationalbank, Justizwesen, Datenschutz). Als EU-Mitglied müsse sich das Land an den Rechtsbestand der Union halten. Er erwarte aber, dass diese Verfahren ganz gleich ablaufen, als wenn es sich um solche gegen Deutschland, Österreich, Frankreich oder Slowenien handelte.

Was die Zusammenarbeit mit der EU betrifft, wirft Mesterházy Orbán doppeltes Spiel vor. In Brüssel gebe er sich kooperationsbereit, in Budapest aber spreche er ganz anders und behaupte, die EU betrachte Ungarn als Kolonie.

Bei dem angestrebten Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds und der Teilnahme am EU-Fiskalpakt hat Orbán die Unterstützung der Sozialisten. Ungarns wirkliches nationales Interesse sei es, mit der EU zu kooperieren, denn dann könne man die Entscheidungen auch beeinflussen. Dagegen drohe Orbáns Kurs Ungarn in die Isolation zu treiben: "Man kann nicht in allen Bereichen Krieg führen." Umfragen zufolge habe Orbán heute die Mehrheit (53 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang 2010) bereits verloren: Mehr als 50 Prozent hielten seine Politik für schädlich, mehr als 80 Prozent glaubten, das Land gehe in die falsche Richtung.

Mesterházy sprach in Wien auf Einladung der Diplomatischen Akademie und des Renner-Instituts. Gefragt wurde er auch, welche Lehren seine Partei aus ihrem Wahldebakel ziehe. Eine der Antworten: "Man darf die Wähler nicht belügen. Dann wird man von ihnen bestraft." Auch wenn das Land in großen Schwierigkeiten stecke, sei es besser, die Wahrheit zu sagen. Taktik könne für eine kurze Zeit helfen, langfristig aber sei sie kontraproduktiv. (Josef Kirchengast /DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2012)