Wien - Clemens Trimmel verspürt eine "positive Anspannung". In einer Woche wird der neue Daviscup-Captain in der Arena Nova in Wiener Neustadt genau das tun, "was die Spieler brauchen". Die Palette ist breit: Aufspringen, protestieren, mit dem Schiedsrichter diskutieren oder auch nur dasitzen, schweigen, das Handtuch halten, tröstende bis aufbauende Worte spenden. Vorgänger Gilbert Schaller wurden mitunter Lethargie und das Temperament einer griechischen Landschildkröte vorgeworfen. Der 33-jährige Trimmel, übrigens der jüngste Captain in der österreichischen Tennisgeschichte, sagt: "Jeder ist, wie er ist, man soll sich nicht verstellen. Ich bin eher emotional."
Russland ist der Gegner, der Sieger steigt ins Viertelfinale der Weltgruppe auf. "Das ist das Ziel. Allerdings auch für die Russen." Trimmel hatte nicht die Qual der Wahl, er konnte quasi aus dem Leeren schöpfen. Alternativen zu Jürgen Melzer und Andreas Haider-Maurer im Einzel gibt's keine. Hinzu kommen Alexander Peya und Oliver Marach, die ein konkurrenzfähiges Doppel bilden. Die Gäste kreuzen mit Alex Bogomolow jr., Michail Juschni, Nikolaj Dawidenko und Igor Kunizin auf.
Trimmel wird in der Vorbereitungswoche "kommunizieren", jeden Tag findet ein Meeting statt. "Da sollen positive und negative Dinge direkt angesprochen werden. Kontakte sollen darüber hinaus das ganze Jahr gepflegt werden, Veränderungen sollen die Betroffenen nicht aus der Zeitung erfahren." Joakim Nyström, Melzers Trainer, gehört zum Kreis des Stabs. "Er ist meine rechte Hand."
Trimmel übt zudem die Funktion des Sportdirektors aus, und die ist die wesentlichere. "Tennis hat es in Österreich nicht einfach. Einmal ist es kaputt, dann lebt es, dann ist es wieder tot." Global gesehen ist es einfach "cool. Das Finale der Australian Open zwischen Djokovic und Nadal war objektiv betrachtet ein sechsstündiger Genuss." Ein Verband habe mehrere Aufgaben. "Am Ende des Tages ist entscheidend, was rauskommt. Wie die Leute an die Spitze kommen, ist zweitrangig. Da geht es nicht darum, was privat und was öffentlich war."
Zudem sei die Zeit reif, zu akzeptieren, "dass Thomas Muster ein Einzelfall war. Die dauernden Vergleiche nerven, die Spieler müssen sich freischwimmen dürfen". Die Dichte sei nicht breit genug. Tamira Paszek habe ihr Limit nicht erreicht, Melzer sei besser als die aktuelle Ranglistenplatzierung (41). "Er wird unterschätzt."
Das Sportbudget des Tennisverbandes beträgt 800.000 Euro. "Nicht viel." Es gebe keine Alternative zum nationalen Leistungszentrum Südstadt. "Man muss die Besten bündeln. Leider gibt es verschiedene Interessen, die Landesverbände ziehen nicht immer mit. Aber das ist ja in der Politik genauso, die Zweigleisigkeit zwischen Bund und Ländern verfolgt und lähmt uns seit ewig." Er, Trimmel, werde das Scouting ausweiten. "Ich will wissen, wenn es in Salzburg zwei großartige Zehnjährige gibt." In der Südstadt trainieren derzeit acht Jugendliche, sechs Burschen, zwei Mädchen, die Eltern zahlen pro Monat jeweils 800 Euro ein.
Ende März bekommt Trimmel einen neuen Vorgesetzten. Ronald Leitgeb löst Ernst Wolner als Präsident ab. Die Wahl ist Formsache. Trimmel erwartet von Leitgeb "Impulse. Er kennt das Geschäft, hat Kontakte." Dass Leitgeb Melzer und Paszek managt, "ist nicht mein Problem. Aber er wird sich kein Eigentor schießen und schauen, dass Transparenz gegeben ist."
Trimmel musste seine Karriere 2004 beenden. Nach der sechsten Operation. "Trotzdem hatte ich nie einen Schleim aufs Tennis." Bis auf Platz 147 hat er es geschafft, dreimal durfte er sogar im Daviscup spielen. "Aber es waren unbedeutende Partien." Nachsatz: "Jetzt ist es endlich bedeutend." (Christian Hackl, DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2012)