Bild nicht mehr verfügbar.

Der Mailänder Bürgermeister ist mit Montis Politik zufrieden.

Foto: Reuters

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Regierung von Mario Monti?

Giuliano Pisapia: Monti hat zweifellos richtige Maßnahmen ergriffen. Nun geht es darum, die Sparmaßnahmen durch Wachstumsimpulse zu ergänzen und ein gewisses soziales Gleichgewicht herzustellen. Monti geht mit seinem Liberalisierungsdekret in diese Richtung.

STANDARD: Wie lange wird die Regierung Monti überleben?

Pisapia: Das kann niemand sagen. Aber es gibt keinen Zweifel, dass sie nur eine Übergangsregierung bis zu den Wahlen ist. Danach kommt dann eine gewählte Regierung mit dem nötigen politischen Rückhalt. Da die Mitte-rechts-Regierung von Silvio Berlusconi nicht nur die Krise ignorierte, sondern für diese sogar mitverantwortlich und auch mitschuldig war für den Verlust der Glaubwürdigkeit Italiens, erwarte ich als nächste Regierung eine Mitte-links-Koalition.

STANDARD: In Mailand gab es kürzlich im Zusammenhang mit Italiens Downgrading eine Razzia bei Standard & Poor's und Fitch. Haben die US-Ratingagenturen Ihrer Meinung nach zu viel Macht?

Pisapia: Die Ratingagenturen erledigen bloß ihren Job, da besteht kein Zweifel. Aber die Finanzmärkte nehmen sie zu ernst und reagieren stets überzogen. Die Gründung einer europäischen Ratingagentur wäre wünschenswert.

STANDARD: Mailand war einst die "moralische Hauptstadt" Italiens. Hat sich zwanzig Jahre nach der Antikorruptionskampagne "Mani pulite" viel geändert?

Pisapia: Es ist weder gelungen, die weitverbreitete Korruption unter Kontrolle zu bekommen, noch ist es gelungen, den Einfluss der Mafia in Mailand zu schmälern. Mit der Bestellung einer neuen Anti-Mafia-Kommission, mit einem verschärften Kampf gegen die Korruption und Steuerhinterziehung hoffen wir wieder zur "moralischen Hauptstadt" zu avancieren. Das Problem ist, dass Mafia und Korruption jahrelang heruntergespielt wurden. Wir stehen mit unserem Kampf vor einem Neubeginn.

STANDARD: Müssen im Kampf gegen Korruption und Mafia neue Gesetze geschaffen werden?

Pisapia: Nein, die bestehenden Gesetze müssen bloß endlich exekutiert werden. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Printausgabe, 2.2.2012)