Ein chinesischer Arbeiter kauft auf dem Markt ein.

Foto: An Yan

Wo vorher dichter Regenwald wucherte, wird bald ein Kraftwerk stehen.

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Restaurants werben mit laotischen und chinesischen Schildern.

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Selbst der kleine Kiosk um die Ecke wirbt um chinesische Kunden.

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Als ich in Hongsa in Laos ankam, habe ich nicht erwartet, dass ich mich dort mit chinesischen Gastarbeitern unterhalten würde. Aber der Ort hielt einige Überraschungen für mich bereit.

Hongsa ist ein sehr überschaubares Örtchen im Norden der laotischen Hauptstadt Vientiane. Bis vor einigen Monaten gab es hier wenig mehr als Wohnhäuser, einen kleinen Markt und eine Handvoll Gasthäuser. Die touristische Attraktion waren die Elefanten, die in der Umgebung leben und als Arbeitstiere eingesetzt werden. Die abgelegene Lage der der Region und die extrem schlechte Verkehrsanbindung machten Massentourismus und Industrie bisher unmöglich. Teilweise gibt es tagelang keinen Strom, und Pkws wurden überhaupt erst in den letzten Monaten eingeführt. Und gerade das gefällt den paar Touristen, diesich trotzdem immer wieder hierher verirren.

Doch das Leben dieses Ortes ändert sich rasant, denn etwa 20 Kilometer vom Ortskern entfernt soll nach Angaben der Betreiber auf über 70 Quadratkilometern Fläche eine Kohlemine mit angeschlossenem Kraftwerk errichtet werden. Das Projekt ist ein laotisch-thailändisches Joint Venture, strategisch sinnvoll nur 35 Kilometer von der thailändischen Grenze entfernt. Da Laos ein sehr rohstoffreiches Land ist, soll nun von seinen Kohlevorkommen profitiert werden.

Chinesische Gastarbeiter

Die direkteste und stärkste Auswirkung für die lokale Bevölkerung ist momentan nicht die Baustelle selbst, sondern deren Arbeiter: 100 Prozent der sogenannten "Unskilled Laborers" (Hilfsarbeiter) sind Laoten, während 90 Prozent der "Skilled Labor" (Facharbeiten) von eigens ausgebildeten Chinesen ausgeführt werden. 1.000 Chinesen wurden bereits in dem Ort angesiedelt, der selbst nur etwa 2.000 Einwohner hat, und es sollen noch 2.000 folgen. Eigene Wohnanlagen werden derzeit für die chinesischen Facharbeiter außerhalb der Stadt errichtet; noch wohnen sie in lokalen Gasthäusern. Für die Dauer von fünf Jahren wurden diese Arbeiter von ihrer Shanghaier Firma nach Laos geschickt, um dieses Kraftwerk aufzubauen und danach wieder nach Hause zurückzukehren. Die meisten von ihnen sind solche Transfers schon gewöhnt und haben bereits in Indien, Vietnam oder anderen für chinesische Firmen interessanten Standorten gearbeitet. Sie können alle selbst kochen, extremes Wetter aushalten und haben internationale Telefonkarten. Viel mehr brauchen sie auch nicht, denn hier sollen sie vor allem eines: arbeiten. Solche Jobs im Ausland sind nicht gerade begehrt, denn der Lohn ist derselbe wie in Shanghai, nur einmal im Jahr wird als Zuckerl ein einmonatiger Heimurlaub gezahlt. Dafür sehen sie sich von einer Millionenmetropole wie Shanghai ins laotische Hinterland versetzt, wo der zentrale Treffpunkt für Jugendliche der örtliche Bankomat neben dem Markt ist.

Laoten lernen Chinesisch

Die Motivation, für eine solch begrenzte Zeit unter solchen Umständen sich mit der lokalen Kultur zu beschäftigen und womöglich sogar die Sprache zu lernen, ist denkbar begrenzt. Vor allem, wenn es hier bald mehr Chinesen gibt als Laoten. Letztere haben keine Wahl und lernen Chinesisch, wenn sie beispielsweise ihre Produkte auf dem Markt verkaufen wollen. Innerhalb von wenigen Monaten sperrten dutzende Gasthäuser und Restaurants auf, die auf die neuen Kunden spekulieren und teilweise sogar chinesische Schilder anbringen. Das Allerschlimmste für die Arbeiter ist aber, dass sie zum chinesischen Neujahr nicht nach Hause fahren können. Laoten feiern dieses Fest kaum, für Chinesen ist es aber das Familienfest schlechthin - ganz ähnlich wie für uns Weihnachten.

So wurde dieses Fest in Hongsa kürzlich zum ersten Mal überhaupt "chinesisch" gefeiert: mit Böllern, Feuerwerk, den traditionellen chinesischen Teigtaschen und 1.000 Expats, die auch nicht so recht wissen, was sie hier sollen. "Aber es ist schon viel besser geworden, seit wir letztes Jahr hergekommen sind. Man kann Lebensmittel von zu Hause kaufen, und immer mehr Leute sprechen Chinesisch. Ich vermisse eigentlich nur meine Familie", erzählt mein Gesprächspartner sehr pragmatisch und wünscht mir ein frohes neues Jahr, Xin Nian Kuai Le! (An Yan, 1.2.2012, daStandard.at)