Belgrad - Bosnien-Herzegowina wird nach den Worten des Präsidenten der bosnisch-serbischen Republik (Republika Srpska), Milorad Dodik, früher oder später zerfallen "wie einst die Tschechoslowakei". Diese Überzeugung vertrat der für seine separatistischen Äußerungen bekannte Präsident des kleineren bosnischen Landesteils am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion mit dem Vorsitzenden der serbischen Oppositionspartei LDP, Cedomir Jovanovic, in Belgrad.

Die von der staatlichen serbischen Presseagentur Tanjug organisierte Runde zum Thema "Ist die Serbische Republik eine Genozid-Schöpfung oder Ausdruck des Volkswillens" wurde wegen des brisanten Diskussionsgegenstandes von TV-Sendern in Serbien und Bosnien live übertragen.

Anlass für die Gesprächsrunde war eine Äußerung von Jovanovic bei einem Treffen der Führung seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) am Wochenende, wonach die Serbische Republik eine "Genozid-Schöpfung" sei. Diese Aussage sorgte für großen Unmut bei den bosnischen Serben. "In den relevanten Dokumenten gibt es keine Genozid-Geschichte. Im Dayton-Abkommen (mit dem Ende 1995 der dreijährige Bosnien-Krieg beendet wurde, Anm.) wurde der Krieg als ein unglücklicher Konflikt bezeichnet. Die Serbische Republik wurde 1992 gebildet, als Bosnien-Herzegowina noch gar keine internationale Anerkennung genoss", konterte Dodik am Mittwoch unter Hinweis darauf, dass das Massaker von Srebrenica erst drei Jahre später geschah.

In Srebrenica wurden im Sommer 1995 rund 7.000 muslimische Stadtbewohner von bosnisch-serbischen Truppen ermordet. Sowohl das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) als auch der Internationale Gerichtshof bezeichneten das Massaker als Völkermord. Die Serbische Republik sei durch ihren ersten Präsidenten Radovan Karadzic, den einstigen Militärchef Ratko Mladic und die spätere Präsidentin Biljana Plavsic, die alle vor dem UNO-Tribunal angeklagt worden seien, auf dem Genozid von Srebrenica und der Zerstörung von Sarajevo errichtet worden, erläuterte Jovanovic seinen Standpunkt.

Der bosnisch-serbische Präsident hatte Anfang der Woche kritisiert, die Äußerung von Jovanovic zur Serbischen Republik ziele darauf ab, dem ganzen bosnisch-serbischen Volk eine kollektive Schuld anzulasten. Mehrere Verbände von Kriegsveteranen und Kriegsopferfamilien im kleineren bosnischen Landesteil kündigten unterdessen eine Klage gegen den ehemaligen serbischen Vizepremier an. Denselben Standpunkt wie Jovanovic vertreten seit Jahren immer wieder bosniakische (muslimische) Politiker in Sarajevo. (APA)