Wien - Das Streiten haben die Eisläufer seit jeher zur Kunst erhoben. Jener Kelch, der in diesem Winter in Wien ausgetragen wird, sucht freilich seinesgleichen. Vor wenigen Tagen haben empörte Eltern per Handy festgehalten, also fotografiert, wie Kinder von Ordnern davon abgehalten wurden, in der Stadthalle eiszulaufen. Die Kinder sind Mitglieder des Eissportklubs Engelmann (EKE), er ist zwar der größte Verein hierzulande, aber auch der falsche, wenn man derzeit in der Stadthalle eislaufen will.

Der Wiener Verband hat den EKE mit einer Sperre belegt, wie Hans Gunsam bestätigt, der Präsident des österreichischen Verbandes (EKL) war und nach wie vor Vizepräsident des Wiener Verbandes ist. "Der Verein soll einmal nachdenken, ob er den richtigen Schritt gesetzt hat." Damit spricht Gunsam jene außerordentliche Generalversammlung an, bei der er Ende Oktober 2011 als EKL-Präsident abgewählt wurde - auch mit Stimmen des EKE. Um eine Retourkutsche, so Gunsam, handle es sich aber nicht.

Genau das wird von der neuen EKL-Präsidentin Christiane Mörth und von EKE-Präsident Johann Maierhofer bezweifelt. Sie bedauern, dass das Sportamt der Stadt Wien just einen Verein, dem Gunsam als Obmann vorstehe, mit der Betreibung der Eisflächen in der Stadthalle und am Eisring Süd betraut hat. De facto kann Gunsam entscheiden, wer in der Stadthalle laufen darf und wer nicht. Betroffen sind Spitzenläufer wie die Vizemeisterin Belinda Schönberger, deren Training zuletzt beeinträchtigt war, vor allem aber viele Nachwuchsläufer. Gunsam betont, dass die Sperre nur für die Stadthalle gelte, nicht aber für den Eisring Süd oder die Kagraner Eishalle. Eltern, die Kinder durch halb Wien zum Training chauffieren müssen, fühlen sich so oder so gefrotzelt. Einige Läufer wurden gar beim EKE ab- und bei befreundeten Vereinen wieder angemeldet, und schon durften sie wieder aufs Stadthalleneis.

Dem Personal in der Stadthalle ist nicht klar, wie es dazu kommt, sich von Trainern und Eltern beschimpfen zu lassen. Besitzstörungsklagen sollen im Raum stehen, und eine Trainerin, die gar zu heftig aufgetreten ist, soll mit einer Sperre bis Ende März belegt worden sein. "Das kommt einem Berufsverbot gleich", sagt Mörth. "Von einer derartigen Sperre weiß ich nichts", sagt Gunsam.

Unisono tönen beide Streitparteien, sie wollen den Eiskunstlauf hierzulande auf "ganz andere, professionelle Beine stellen". Die Verbandsstrukturen, ist man sich einig, seien veraltet, Reformen dringend notwendig. Und jede Seite, obwohl seit vielen Jahren in genau diesen Strukturen daheim, traut (nur) sich zu, diese Reformen durchzuziehen.

Im Hintergrund spielt der Plan eines Leistungszentrums für Eiskunstlauf eine Rolle. Es soll am Eisring Süd in Favoriten entstehen, Kostenpunkt ungefähr vierzig Millionen Euro. Gunsam bestätigt Gespräche mit Sportstadtrat Christian Oxonitsch und Sportminister Norbert Darabos. Er habe "den Bund ins Boot geholt", seitens des Bundes sei eine Beteiligung in Höhe von acht Millionen Euro vorstellbar. Derzeit aber liegen die Pläne, nun ja, auf Eis - laut Gunsam "auch deswegen, weil in Wien nicht alle an einem Strang ziehen". EKL-Präsidentin Mörth hingegen sieht "allgemeine Finanzierungsprobleme".

Sportamtsleiterin Sandra Hofmann ist übrigens ab 1. Februar, also ab heute, Geschäftsführerin der Stadthalle, soll dem Sportamt aber noch so lange erhalten bleiben, bis ihre Nachfolge geregelt ist. Der Streitschlichtung will sich derweil Oxonitsch' Büroleiter Wolfgang Prochaska annehmen, er bestätigt für kommende Woche einen Termin mit allen Beteiligten. Und er bestätigt: "Wir wollen das lösen." Klingt einfach, wird aber sicher eine Kunst. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2012)