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18. September 2011: Anti-Gaddafi-Kämpfer hissen vor Bani Walid ihre Flagge - zum Zeichen, dass die Stadt unter ihrer Kontrolle ist. Doch in den vergangenen Wochen gab es wieder Kämpfe.

Foto: AP/Meneghini

"Die Ruhe vor dem Sturm in Bani Walid", so lautet der Titel einer libyschen Zeitung - ein Fragezeichen setzt sie nicht. Im Artikel schildert ein Augenzeuge, wie vor zehn Tagen eine Gruppe Bewaffneter die Truppen der neuen Regierung angegriffen hatte. Die Auseinandersetzungen forderten damals vier Tote und 20 Verletzte. Er berichtet von den grünen Flaggen und Bildern des getöteten Diktators Muammar al-Gaddafi, die von Loyalisten mitgetragen wurden.

Ein Offizier der Nationalgarde verrät, es gebe bereits eine fertig ausgearbeitete Strategie für eine Militäroperation unter Beteiligung mehrerer Brigaden aus verschiedenen Städten, um die schweren Waffen einzusammeln und Kriminelle zu verhaften. Man warte nur noch auf grünes Licht der politischen Führung.

Schon jetzt ziehen jeden Tag mehrere Brigaden der Ex-Rebellen aus Misrata Richtung Bani Walid, erklärt ein Mitglied der Kafila-Brigade, die eben den Marschbefehl erhalten hat, im Gespräch. Sie fährt in die eine knappe Autostunde entfernte sensible Gegend, bis an die Grenze des Einflussgebietes des Warfalla-Stammes, der Bani Walid dominiert. Dort hält sie sich bereit für den Fall, dass unter Tags neue Kämpfe ausbrechen, und kehrt erst am Abend wieder nach Misrata zurück.

Sperrgebiet für Fremde

Bani Walid, die Stadt, die als letzte gefallen ist, ist für alle Fremden Sperrgebiet. "Die Tatsache, dass es in Gaddafis Heimatstadt Sirte keine Probleme gibt, ist ein Beweis dafür, dass die Ereignisse in Bani Walid nicht politischer Natur sind", argumentiert ein Gründungsmitglied einer neuen demokratischen Partei. "Niemand weiß genau, was sich dort abspielt, nicht einmal der Nationale Übergangsrat", meint ein einheimischer Journalist.

Der Verteidigungsminister hatte einen kurzen Abstecher in die Stadt gemacht. Ihm wurde von den Stammesältesten eine Liste mit den Namen der Mitglieder übergeben, die in Zukunft im lokalen Stadtrat sitzen sollen.

In Bani Walid kommen viele Faktoren zusammen: eine enge Verbundenheit vieler Einwohner mit dem gestürzten Regime, ein starker Stamm, traditionelle Beduinenkultur, Unzufriedenheit mit der neuen Führung, aber auch kriminelle Elemente - es gibt keine einfachen Erklärungen.

Bisher haben die Vermittlungsmechanismen der libyschen Führung funktioniert. Bei vereinzelten, lokal oder regional begrenzten Ausbrüchen von Gewalt seit dem Sturz der Regimes im vergangenen Jahr - meistens wurden dabei einfach nur alte Rechnungen beglichen - gelang es stets, die Auseinandersetzungen zu beenden und eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Viele Libyer sehen deshalb in Bani Walid jetzt eine Art Testfall. Gelingt dies auch in diesem komplizierten Fall, wäre das wie eine Versicherung, dass sich auch in Zukunft ernsthafte Sicherheitsprobleme meistern lassen. (DER STANDARD Printausgabe, 1.2.2012)