Von Bruno Kreisky ist eine Anekdote über den diplomatischen Heinz Fischer überliefert. Immer dann, wenn es schwierig gewesen sei, habe sich der SPÖ-Politiker aufs Klo zurückgezogen. Dieses Bonmot wurde Fischer nicht mehr los. Sein Metier ist das Ausgleichen und nicht das Auf-den-Tisch-Klopfen.

Die mangelnden Ecken und Kanten waren es schließlich auch, die ihn zum Bundespräsidenten quasi prädestinierten. Doch genau diese unbestimmte Positionierung ist in der Ausübung des Amtes ein Problem. Nur selten mischte sich das Staatsoberhaupt ein, wenn es nötig schien, die moralische Autorität des Amtes blieb weitestgehend ungenutzt.

Die Weigerung, Heinz-Christian Strache einen Orden zu verleihen, nachdem dieser die Proteste rund um den WKR-Ball mit der Reichspogromnacht verglichen hatte, zeigt, dass selbst ein Heinz Fischer Kanten zeigen kann. Nur wenige Meter neben den Prunkräumen der Präsidentschaftskanzlei, im gleichen Gebäude feierten am Samstag Burschenschafter, erklärte Strache jene zu den "neuen Juden". Mit dieser Aussage hat sich Strache selbst disqualifiziert. In diesem Land darf es keine Verunglimpfung der Opfer des Holocausts geben, und schon gar nicht dürfen jene, die die Opfer durch hanebüchene und entlarvende Vergleiche verunglimpfen, mit hohen Orden ausgezeichnet werden.

Strache wird es unter großer Aufregung verkraften. Die ersten Presseaussendungen beklagen sich schon über die "linke Jagdgesellschaft", es werden weitere Folgen. Und wie immer wird er sich als Opfer einer Intrige, als einsamer Kämpfer gegen das Establishment gerieren. Die "Zurückstellung" des Ordens durch Heinz Fischer ist für Strache somit nicht nur ein Verlust, im Gegenteil. Dem Opfermythos, den der FPÖ-Klubobmann so gerne herbeibeschwört, wird der Akt des Bundespräsidenten wahrscheinlich nutzen. Doch darauf kann ein Bundespräsident, will er nicht an eine alte Anekdote erinnert werden, nach solchen Aussagen nicht Rücksicht nehmen.

Einzig der Öffentlichkeit entgeht nun ein Schauspiel. Der FPÖ-Chef gedachte nämlich, den Orden nicht zu tragen, sondern für die Bevölkerung auszustellen. Strache wird eine andere Ikone finden.(derStandard.at, 31.1.2012)