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Gegen ACTA wird in vielen Ländern protestiert. Österreichische Politiker befürchten durch das Abkommen Einschnitte in die Grundrechte.

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In Österreich regt sich weiter Widerstand gegen das umstrittene internationale Abkommen gegen Internet-Piraterie und Urheberrechtsverletzungen. Internet-Aktivisten haben für den 11. Februar Proteste angekündigt.

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Ende Jänner haben die österreichische Bundesregierung und auf internationaler Ebene EU-Vertreter das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) unterzeichnet. Wenn das unter anderem von den USA, Japan und der EU formulierte Regelwerk die EU-Instanzen passiert, wird die Gesetzesvorlage auch zur Abstimmung im Nationalrat gelangen. derStandard.at befragte Vertreter der Parteien über ihre derzeitigen Standpunkte zu ACTA.

Kanzler Werner Faymanns (SPÖ) vorläufiges Ja zu ACTA stieß einigen seiner Parteikollegen übel auf, die sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Jörg Leichtfried und Josef Weidenholzer äußerten schwere datenschutzrechtliche Bedenken. Ihnen schlossen sich Wolfgang Moitzi von der Vorfeldorganisation SJÖ und die SPÖ-Nationalratabgeordneten Sonja Ablinger und Johann Maier an.

Bremsbackenfälschungen

Gegenüber derStandard.at erklärt Maier, der für die SPÖ im Datenschutzrat sitzt, dass die ursprüngliche Intention von ACTA für ihn durchaus Berechtigung hatte: "Ausgangspunkt war eine Verschärfung im Bereich der internationalen Produktpiraterie bei physischen Konsumgütern. Betroffen wären etwa schlecht gefälschte Medikamente, Kfz-Bremsbacken oder Flugzeugersatzteile. Hier gibt es konsumentenpolitisch einen absoluten Handlungsbedarf." In weiterer Folge hätten sich aber einige Staaten, vor allem die USA und Frankreich, für die Einbeziehung von Urheberrechtsangelegenheiten starkgemacht.

Dafür müsste das EU-Recht allerdings an sensiblen Punkten geändert werden, so Maier: "Die Kommission hat uns am Schmäh gehalten. Es wurde immer gesagt, dass für ACTA kein Eingriff in bestehende Gesetze notwendig sei. Jetzt stehen wir davor, dass ein Verstoß gegen das Recht auf Privatkopie nicht mehr unter zivilrechtliche, sondern unter strafrechtliche Ahndung gestellt wird."

Fischerei-Ministerrat in Weihnachtsstimmung

Man müsse in Österreich ernsthaft diskutieren, mit welchen grundrechtsgefährdenden Konsequenzen ACTA verbunden ist, sagt Maier. Vor allem, weil dieses Abkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne vorherige Debatte in einem "Fischerei-Ministerrat kurz vor Weihnachten" durchgepeitscht wurde. "NGOs wurden außen vorgelassen, nur Großkonzerne haben Einsicht erhalten."

Unmut darüber gebe es bei vielen SPÖ-Abgeordneten, sagt Maier. Ein Durchwinken des Gesetzes im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien sei demnach nicht zu erwarten. Das Abstimmungsverhalten werde vom finalen Wortlaut der Unterlagen und auch von den übrigen Parlamentsparteien abhängen.

"Klar auf Seite der BürgerInnen"

Silvia Fuhrmann, die Kultursprecherin des ÖVP-Klubs im Parlament, ließ dem WebStandard eine knappe Stellungnahme übermitteln. Darin heißt es: "Damit das Übereinkommen innerstaatlich wirksam wird, bedarf es der Ratifikation. Da dieses Abkommen gesetzändernd und gesetzesergänzend ist, ist ein Beschluss des Parlaments erforderlich. Das Parlament ist bisher mit dem Abkommen noch nicht befasst worden. In dem Übereinkommen ist nicht vorgesehen, dass Webseiten gesperrt werden." Es sei deshalb nicht mit Gesetzesinitiativen wie SOPA in den USA vergleichbar.

Auf EU-Ebene deutet mit Elisabeth Köstinger eine ÖVP-Mandatarin an, dass ACTA nicht problemlos über die Bühne gehen wird: "Das Europäische Parlament, als einzig direkt gewählte Institution auf EU-Ebene, wird hier klar auf Seite der BürgerInnen stehen", schreibt Köstinger in einer Antwort auf eine Privatanfrage.

Guy Fawkes im Bundesrat

Marco Schreuder befasst sich für die Grünen mit der Causa ACTA. "Wir werden auf jeden Fall dagegen stimmen, auch wenn der Zeitrahmen noch nicht ganz klar ist und ACTA erst im Herbst zur Abstimmung kommt", erklärt Schreuder gegenüber derStandard.at. Die Grünen stehen national und international in Gesprächen mit Organisationen, um auch zivilgesellschaftlich auf die Gefahren des Abkommens hinzuweisen, so Schreuder. Vor diesem Hintergrund traten er und seine zwei grünen Kollegen vergangenen Donnerstag im Bundesrat mit Guy-Fawkes-Masken auf.

Es wäre zu begrüßen, wenn sich in der SPÖ eine Mehrheit gegen ACTA finden würde und das Abkommen womöglich auf nationaler Ebene zu Fall gebracht werden könnte, sagt Schreuder. Ähnliche Vorbehalte gegen den Vertrag hat auch die grüne EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger. So schreibt sie auf ihrer Website: "ACTA hat drastische Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet. ACTA ist vollkommen falsch und muss abgelehnt werden."

FPÖ befürchtet massive Eingriffe in Internetfreiheit

Laut Werner Herbert, Nationalratsabgeordneter der FPÖ und stellvertretender Vorsitzender des Datenschutzrates, ist ACTA "sehr zwiespältig zu betrachten. Auf der einen Seite ist es derzeit schwierig, die Verantwortlichen hinter schweren urheberrechtlichen Verfehlungen zu belangen. Auf der anderen Seite muss man aber sehen, dass das Abkommen massiv in die Internetfreiheit und die Grundrechte eingreifen und Internetnutzer kriminalisieren könnte."

Für eine weitere Einschätzung wird es laut Herbert wichtig sein, "wie die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Vorgaben der EU genau aussehen. Unser Vorgehen wird davon abhängen, ob und wie hier in innerstaatliches Recht eingegriffen wird und welche straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen daraus abzuleiten sind."

"ACTA ist der nächste Angriff auf Bürger- und Grundrechte. Das BZÖ sagt Nein zu ACTA"

Das BZÖ spricht sich klar gegen das Abkommen aus: "ACTA ist der nächste Angriff auf Bürger- und Grundrechte. Das BZÖ sagt Nein zu ACTA", so BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher und BZÖ-EU-Abgeordneter Ewald Stadler.

Indes gibt es international weiter Kritik an ACTA - mit konkreten Folgen: Sowohl in Polen als auch in der Tschechischen Republik wurden die entsprechenden Bestrebungen vorerst ausgesetzt und das Abkommen neu überprüft. Für 11. Februar sind weltweit Demonstrationen geplant. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 8.2.2012)