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Das Geld liegt auf der Schiene auch abseits der Milliardentunnels - im Bild ein Sondierstollen für den Koralmtunnel. Wo es gehoben werden kann, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander.

Foto: APA/Markus Leodolter
Grafik: Standard

Die Grünen drängen auf einen Stopp des Schuldenkreisverkehrs.

Wien – Der Schutzmantel, mit dem Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) die ÖBB vor Ausverkaufsgelüsten des Koalitionspartners schützen will, scheint einigermaßen löchrig. Denn genaugenommen geht es der Republik mit dem um Milliarden Euro ausgebauten Bahnnetz wie mit zahlreichen Reisezugwaggons und Güterbahnhöfen, die in Cross-Border-Leases verschoben wurden: Sie gehören Österreich längst nicht mehr.

Von den 11,5 Milliarden Euro, die über 37 Anleihen vom Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur aufgenommen wurden, werden die Hälfte von institutionellen Investoren aus Frankreich gehalten, rund ein Fünftel von deutschen und geschätzte zehn Prozent von schweizerischen. Österreicher Provenienz sind demnach nur rund 15 Prozent der Anleihezeichner (siehe Grafik).

Aufgegliedert nach Investorentypen stammt das geborgte Geld, das überwiegend in den Ausbau des Hochleistungsstreckennetzes investiert wird, zu 60 Prozent von Fonds und zu zehn Prozent von Banken. Weniger als ein Viertel der Geldverleiher wird der Versicherungsbranche zugeordnet.

Daran dürfte sich auch so bald nichts ändern. Denn der im September 2011 von Bures und ÖBB präsentierte Investitionsplan für das Zielnetz 2025+ sieht einen Ausbau des Schuldenbergs auf 30 Milliarden Euro vor. An den Tunnels unter Koralpe, Semmering und Brenner soll nicht gerüttelt werden. Nicht an den Grundfesten rütteln will auch die ÖVP. Sie will "Optimierungspotenziale" heben (und so die Ausgaben pro Jahr um 25 Prozent oder 500 Millionen Euro senken), stellt die Tunnelprojekte aber nicht infrage.

"Wer die ÖBB aus der Umklammerung der internationalen Finanz- und Bau-Mafia und vor dem Abverkauf nach AUA-Muster ans Ausland retten will, muss unbezahlbare Großprojekte stoppen und das Schulden-Ausverkauf-Karussell aufhalten", kontert Grünen-Verkehrssprecherin Gabriela Moser. Sie hält insbesondere die von ÖVP-Funktionären erstellte Rechnung, wonach die ÖBB ihren 25-Prozent-Anteil an Annuitäten durch Einnahmen aus der Schienenmaut bedienen werde, für "ein Märchen". Die zuletzt 447 Mio. Euro an Infrastrukturbenützungsentgelt (IBE) reichten nicht für die Selbstfinanzierung des Bahnbetriebs, geschweige denn für Ersatzinvestitionen und Streckenerhalt, rechnet Moser vor, die dringend den Tritt auf die Tunnelbremse fordert. Der Bedarf sei etwa auf der Südbahn gar nicht mehr gegeben, dort würde künstlich Verkehr generiert, indem das IBE gesenkt wurde. Mit oder ohne Tunnels: Speck zum Wegschneiden liegt auf der Schiene: Der Gleismittenabstand, also der für Verschub notwendige Sicherheitsabstand zwischen zwei Zuggleisen beträgt in Österreich 4,70 Meter, in Deutschland nur 3,9. Die Differenz besteht in Millionen Kubikmetern Schotter, mit denen die Gleiskörper aufgefüllt werden. Das kostet Millionen, ist für Lieferanten aber äußerst lukrativ. (ung, DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2012)