Links der Esstisch seiner Frau, rechts das Bild seines Schwiegervaters, im Hintergrund der Erker zum Musizieren: Stefan Sterzinger in Wien-Wieden.

Foto: Lisi Specht

Der Wiener Musiker und Sänger Stefan Sterzinger wohnt simpel und mit wenig Technik. Der liebste Raum ist sein Erker. Martina Pfeifer Steiner hat ihn besucht.

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"Diese Adresse im vierten Bezirk hab ich schon seit fast dreißig Jahren. Das ehemalige Geschäftslokal ist heute noch immer mein Atelier. Das war ein typisches Geschäft, mit tiefen Fensterkästen und schönen Rollläden. Die Einrichtung mit Budl und Regalen hat mich in den ersten drei Jahren über den Winter gerettet. Sie ist direkt in den Ofen gewandert. Ich habe das Lokal sukzessive renoviert. Im aufgeräumten Zustand ist es hier urschön, aber um die Wohnung halbwegs zu ordnen, habe ich als Hausmann alle Hände voll zu tun. Da bleibt das Atelier gelegentlich im Chaos.

Wir wohnen zwei Stockwerke höher. Wenn ich mir vorstelle, Atelier und Wohnung würden direkt übereinanderliegen, dann könnte ich zwar mit einer Wendeltreppe durchbrechen, und das wäre praktisch, aber diese dezente Distanz zum organisatorischen Arbeiten hat auch Vorteile. Wenn ich abschalten muss, mache ich einfach nur die Tür zu und geh hinauf.

Nachdem die Wohnung in einem extrem schlechten Zustand war, zahlen wir nun einen etwas günstigeren Mietzins. Doch dafür mussten wir alles renovieren: die Parkettböden, die Wände. Alles ist leicht buckelig, sehr schön. Fast ein wenig ländlich. Es schaut ganz einfach nicht so perfekt aus wie von einer professionellen Firma. Ich mag das sehr.

Da, wo früher das Dienstbotenzimmer war, befindet sich jetzt die kleine Schlafhöhle von meiner Frau und mir. Ich finde es unsympathisch, wenn Eltern den größten Raum beanspruchen - ungeheizt und Türen zu. Im schönsten Zimmer residiert stattdessen unsere Tochter. Wie sich das gehört! Über Ordnung reden wir nicht. Doch dafür habe ich die Erlaubnis, Gäste, die einen Rundgang durch die Wohnung machen möchten, auch durch ihr Zimmer zu führen. Das schmückt mich als toleranten Vater und ist auch okay für sie. Cooler Deal.

Der zentrale Raum dient dem Kochen und Leben. Durch den Indoor-Garten gelange ich in die geräumige Erkernische, wo ich musiziere. Die meisten Pflanzen wurden gerettet. Sie stammen von Nachbarn, die sie loswerden wollten. Es ist so ruhig und abgeschieden hier. Wenn sie scheint, dann strahlt die Sonne den ganzen Tag über herein. Am liebsten spiele ich im Liegen. Das geht gut. 'Alles im Liegen!' singt Falco. Mir ist das recht. Ich habe Phasen, in denen ich überhaupt liegend lebe. Wir haben auch kein Sofa im Wohnzimmer, sondern benützen stattdessen ein handgeschweißtes Metallbett als Familienspielwiese.

Ich wohne sehr passend, wie es meinen Verhältnissen entspricht, wie ich bin. Wahrscheinlich gilt für die Wohnung, was ich auch sonst gerne polemisiere: Bitte bloß keine Kunst! Das ist keine Koketterie, sondern eine Kurzform, eine Überschrift dafür, wie es sich entwickelt hat. Es gefällt mir gut, dass alles irgendwie gebraucht ist, im Sinne von brauchbar, aber keinesfalls den Anschein von Antiquität erweckt.

Den Esstisch hat meine Frau designt, die Sessel sind fast alle gefunden - wie auch der Fauteuil. Wir haben ihn nur neu überzogen. Meine Arbeitsliege wartet auch schon darauf, einmal ordentlich auszuschauen. Und die Bilder an den Wänden sind alle vom Vater meiner Frau. Er war Maler.

Technik wird bei uns zurückhaltend und sinnvoll verwendet. Unsere 17-jährige Tochter als in jeder Hinsicht überaus moderne Person hat zwar ein Faible für Küchengeräte entwickelt, aber eigentlich kommt man mit einem großen Messer genauso gut durchs Leben. Wir kochen wie am Lagerfeuer. Es geht nur darum, dass man gute Lebensmittel hat, dass es relativ schnell geht und dass es so gut wie möglich schmeckt! Und obwohl wir nahe am Naschmarkt wohnen, leisten wir uns die Sensation eines wöchentlichen Bio-Gemüsekistls." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.1.2012)