Wien - Die fast 13.000 geschädigten Anleger des im Oktober 2008 zusammengebrochenen Kärntner Finanzkonglomerats AvW gehen auch gegen die Wirtschaftsauskunftei Dun & Bradstreet (D&B) vor. Der Grazer Anwalt Arno Likar hat im Oktober 16 Sammel- und acht Einzelklagen mit einem behaupteten Schaden von 20 Mio. Euro eingebracht. Zwischenzeitlich habe das Handelsgericht (HG) Wien alle Sammelklagen zugelassen, teilte Likar mit. Indes könnte ein jüngst ergangenes OGH-Urteil zu Auskunfteien die Chancen für die Kläger erhöhen.

D&B hatte die Bonität der AvW einst mit der Topnote "5A1" bewertet. AvW-Chef Wolfgang Auer-Welsbach brachte die Einstufung via "Selbstauskunft" in Erfahrung und warb jahrelang damit. D&B hat bisher stets betont, keine Ratingagentur, sondern eine Auskunftei zu sein.

Für Anwalt Likar tut das nichts zur Sache. "Sie waren nur gewerberechtlich keine Ratingagentur. Ihre Bonitätsbewertung haben sie als D&B-Rating bezeichnet", so der Rechtsvertreter zur APA. Er wirft Dun & Bradstreet vor, die Bonität der AvW nicht richtig eingestuft bzw. nicht offengelegt zu haben, "dass sie nicht raten, sondern nur Informationen zusammentragen". Unter einem Rating verstehe jeder, "dass die Firma überprüft worden ist". Es sei "nirgends gestanden, dass D&B für die Richtigkeit der Informationen nicht haftet".

"Qualitätssiegel für die Anleger"

Die Bestnote "5A1" sei für Auer-Welsbach ein "tolles Verkaufsargument" gewesen, ein "Qualitätssiegel für die Anleger". Gerade bei den AvW-Genussscheinen, auf denen die Anleger nun sitzen, sei die Bonitätsbewertung der AvW von großer Wichtigkeit gewesen. Auer-Welsbach hat ja den Anlegern versprochen, die Papiere jederzeit zurückzukaufen; der Genussscheinkurs bewegte sich jahrelang auffällig steil nach oben.

Dass Dun & Bradstreet, wie dessen Österreich-Chef Dieter Bodingbauer in der Vergangenheit gegenüber Medien behauptet hatte, nicht mitbekommen haben soll, dass Auer-Welsbach die D&B-Note jahrelang zu Werbezwecken verwendete, hält Likar für "extrem unglaubwürdig". Das Investment AvW sei in ganz Österreich bekanntgewesen, und "überall wurde das D&B-Rating in den Mittelpunkt gestellt".

Ein weiteres Argument, das Likar in seinen Klagen vorbringt: Wenn Auer-Welsbach die D&B-Bewertung tatsächlich über eine sogenannte Selbstauskunft eingeholt habe, sei er ein Vertragsverhältnis mit dem Unternehmen eingegangen. "Auer-Welsbach hat ihnen auf jeden Fall Informationen zur Verfügung gestellt." Insofern hafte D&B auch als Sachverständiger. Likars Kanzleipartner Peter Griehser meinte in einer Aussendung: "Dass eine als Ratingagentur auftretende Wirtschaftsauskunftei an den von ihr erstellen Bonitätsauskünften verdient und diese somit auch gegenüber Anlegern zumindest mittelbar entgeltlich sind, liegt auf der Hand. Bonitätsauskünfte/Ratings werden nicht aus altruistischen Motiven erteilt." Mittlerweile, so Likar zur APA, werbe Dun & Bradstreet bereits mit einem "D&B Rating Certificate". "Das ist genau das, was sie früher schon gemacht haben, nur nennen sie es jetzt beim Namen."

Der Rechtsvertreter setzt nun seine Hoffnung auch auf einen Entscheid des Obersten Gerichtshof (OGH) in einem anderen Fall. Das Höchstgericht habe darin festgehalten, dass ein Kunde einer Auskunftei vom Auskunftgeber erwarten darf, dass dessen Einschätzung der Bonität auf objektiven Daten und Informationen beruht und der Auftragnehmer allenfalls unzureichende Kenntnisse offenlegt. Dies bedeutet laut Likar, dass die Auskunftei für entgeltlich erteilte Bonitätsauskünfte für objektiv unrichtige Auskünfte haften kann. Ein Anspruch bestehe aber auch dann, wenn der Auskunftgeber nicht offengelegt hat, dass die Daten und Informationen vom Auftraggeber unzureichend waren. "Es kann von einem Auftraggeber, der ein auf die Erteilung derartiger Auskünfte spezialisiertes Unternehmen damit beauftragt, die Bonität eines potenziellen Vertragspartners zu prüfen, nach Ansicht des OGH nicht verlangt werden, sich Gedanken zu machen, in welcher gesetzlich zulässigen Weise der Auftragnehmer die Informationen sammelt, auf deren Basis die Bonitätsauskunft erstellt wird", teilte Likar mit. Das OGH-Urteil gehe definitiv "in unsere Richtung", sagte er. Bis allerdings in der Causa AvW ein höchstgerichtliches Urteil vorliegt, könnte es nach seiner Einschätzung noch zwei bis drei Jahre dauern.

Einvernahme von Auer-Welsbach

Ein "Testverfahren" gegen D&B sei aber schon im Gange, Mitte März soll Auer-Welsbach persönlich als Zeuge einvernommen werden, und zwar mittels Videoübertragung aus seiner Zelle in Graz-Karlau. Bereits ausgesagt hätten der klagende Anleger, D&B-Österreich-Chef Bodingbauer sowie der Chefanalyst der Auskunftei.

Neben der Auskunftei hat Likar, der laut Eigenangaben mehr als 1.300 AvW-Anleger vertritt, auch noch die Republik Österreich (wegen angeblicher Versäumnisse der Finanzaufsicht BWA bzw. FMA), die Anlegerentschädigung AeW, den AvW-Wirtschaftsprüfer Moore Stephens Ehrenböck sowie die Depotbank RBB Klagenfurt verklagt. (APA)