Ich sag es jetzt einfach gerade raus. Ich bin davon überzeugt, dass die Elektrifizierung des Motorrades einfach genial ist. Da ist auf der einen Seite das Drehmoment, das einem den Puls stärker in die Höhe treibt als jedes illegale Pulverl. Worüber wollen sich die Anrainer beschweren, wenn am Sonntag ein paar Radln vorbeizwitschern? Und mir geht die Brüllerei aus dem Endtopf sowas von gar nicht ab. Einziges Problem, das ich bis jetzt habe: Es gibt keinen Elektrobock, der mich auch nur eine Sekunde überlegen lässt, ob ich ihn mir in die Garage stellen soll.

Foto: Brammo

Nein, das liegt nicht daran, dass ich dort keine Steckdose habe. So ein Kabel ist schneller verlegt als eine Tankstelle aufgebaut. Und selbst wenn ich keine Garage hätte: Das Elektroradl wäre nicht das erste Motorrad in meiner Wohnung - ohne Lift - wie Reifenspuren an der Wohnzimmerwand demonstrieren. Als modischer Kleiderständer für einsame Socken hält so ein Motorrad immer locker her.

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Was mich den letzten Nerv kostet, ist die Sitzposition auf den Elektro-Motorradln. Da bauen die Hersteller Krapfen, als würde man das Motorrad gerade neu erfinden. Als etwas größer gewachsener Mensch, halte ich mir auf den meisten E-Radeln mit den Knien die Ohren zu, so niedrig sind sie konzipiert, dabei ist das grad bei den Flüsterbikes eh nicht notwendig.

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Mit der Enertia bringt nun Brammo ein weiteres Elektro-Motorrad bei uns auf den Markt. Unter 8.000 Euro wird die Enertia kosten, was eine echte Ansage ist. Und wer sich mit Brammo schon ein wenig beschäftigt hat, wird gleich an die Empulse RR denken, das anscheinend sehr feine Supersport-E-Motorrad, das schon einige Siege einfahren konnte. Allen anderen sei gesagt: Brammo, mit Sitz in Ashland, Oregon, gilt als einer der führenden Elektro-Motorrad-Hersteller. Letztes Jahr hat Polaris 28 Millionen US-Dollar in Brammo investiert, um von der Technologie partizipieren zu können.

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Feines Detail am Rande: Die Enertia für den europäischen Markt wird im ungarischen Sárvár gebaut - also unweit von unserer Hausrennstrecke, dem Pannoniaring. Aber die Enertia ist kein diabolischer Supersportler. Es ist eine Mischung aus Naked mit einem Hauch Supermoto. Und die Sitzposition? Normalgewachsene Menschen sitzen auf der Enertia wie auf einem Spielzeugbike, wie die Fotos zeigen. Große Leut mimen also den Affen am elektrifizierten Bandschleifer - trotz einer Sitzhöhe von 810 Millimeter.

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Und die technischen Daten? Ein versiegelter bürstenloser Permanentmagnet-Wechselstrom-Motor mit einer Spitzenleistung von 13 kW bei 4500 Umdrehungen pro Minute treibt die Enertia an. Der Lithium-Ionen Eisen Phosphat Akku hat eine Kapazität von 3,1 kWh und nach 2000 Ladungen immer noch eine Kapazität von 80 Prozent. Weil ich davon ausgehe, dass die Enertia in Europa nicht mit 10 Ampere und 115 Volt geladen werden muss, würde ich die angegebene Ladezeit von vier Stunden noch mit Vorsicht genießen.

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Bis zu 70 Kilometer weit kommt man mit einer Ladung, und rund 100 km/h schnell wird die Enertia durch die Stadt wieseln. Na klar, für die Wochentour reicht das nicht - in der Stadt ist sie aber sicher ein flinker und leiser Roller-Ersatz. Den mangelnden Stauraum macht das 145 Kilogramm schwere E-Bike mit Satteltaschen aus dem Zubehörprogramm wieder gut.

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Wer jetzt schon nervös am Sesserl herumrutscht, dem sei geraten: Sie sollten unbedingt probefahren und schauen, ob Sie mit der Sitzposition zurecht kommen. Wer ein Motorrad sein Eigen nennt, wird sich da gehörig umgewöhnen müssen.

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Doch es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Die Elektro-Crosser von KTM fühlt sich wie ein echtes, sehr leichtes und agiles Motorrad an, wenn man drauf sitzt. Offroader werden da richtig begeistert sein, wenn sie sich für den Elektroantrieb erwärmen können. Nur, genau mit dieser KTM machen uns die Mattighofener seit Jahren lange Zähne. Und wenn man nachfragt, dann kommt sie bald. Hoffentlich wird das auch heuer noch wahr.

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