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Krebs wird nach wie vor mit Schmerz, Siechtum und baldigem Tod in Verbindung gebracht. Assoziationen, die heute nur mehr bedingt ihre Berechtigung haben.

Allgegenwärtig und dennoch tabuisiert: Rund um die Erkrankung Krebs kursieren zahlreiche Mythen und Halbwahrheiten. Das Informationsdefizit ist groß und Aufklärungsarbeit ein diffiziles Unterfangen. Der Wiener Krebstag 2012 leistet dazu in Zusammenarbeit mit der Initiative "Leben mit Krebs" am Samstag im Festsaal des Wiener Rathauses mit einem umfassenden Vortragsprogramm einen wichtigen Beitrag. derStandard.at nimmt den Tag, der gleichzeitig auch Weltkrebstag ist, zum Anlass, sich im kommenden Jahr mit wichtigen Fragen zu diesem Thema auseinanderzusetzen. 

Das Damoklesschwert Krebs schwebt über jedem Menschen, denn laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankt jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens daran. Krebskranke bilden also einen Gutteil unserer Gesellschaft, trotzdem trifft die Diagnose jeden Einzelnen davon wie ein Blitz, oft ganz ohne Vorwarnung. "Eine Erkrankung, die so schwer ist, dass sie letztlich zum Tod führen kann, wird von Patienten gegenüber der Umwelt gerne verschwiegen", lautet Christoph Zielinskis mögliche Erklärung für die anhaltende Tabuisierung dieser prominenten Erkrankung. Einen Zusammenhang sieht der Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin I und Leiter der Abteilung für Onkologie am Wiener AKH hier auch mit der Schuldfrage, die sich Betroffene häufig stellen. "Die meisten Krebsarten, mit Ausnahme derjenigen die man sich durch ein bestimmtes Fehlverhalten tatsächlich selbst zufügt, sind quasi ohne irgendeinen Grund entstanden", betont der Krebsspezialist. Prophylaktische Maßnahmen gebe es, außer nicht zu rauchen und stundenlanges Sonnenbaden zu vermeiden, kaum.

Heilung oder Chronifizierung

Assoziationen wie Schmerz, Siechtum und baldiger Tod scheinen jedoch unumstößlich, dabei haben diese heute nur mehr bedingt ihre Berechtigung. "In den meisten Fällen ist Krebs heute keine Akutbedrohung mehr, sondern vielmehr eine chronische Erkrankung", sagt Gabriela Kornek, Onkologin an der Universitätsklinik für Innere Medizin I in Wien und Präsidentin der Initiative "Leben mit Krebs". Dem medizinischen Fortschritt ist es zu verdanken, dass die Sterblichkeitsrate infolge dieser Erkrankung stetig sinkt und die Lebenserwartung bereits um ein Vielfaches gestiegen ist. 

"Früh erkannter Darm- oder Brustkrebs, der chirurgisch entfernt und anschließend chemotherapeutisch therapiert wird, kann heute geheilt werden", serviert Zielinski die erfreulichen Fakten. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen mit Metastasierung gelingt in vielen Fällen eine Chronifizierung. Optimismus wäre also in vielen Fällen durchaus angebracht, trotzdem verändert die Diagnose Krebs das Leben der Betroffenen in aller Regel nachhaltig. Geschockt und beherrscht von Angst, sind viele Krebspatienten mit der Fülle an medizinischer Information schlichtweg überfordert. Zwar wäre der Bedarf an Fragen groß, nachgefragt wird in dieser Ausnahmesituation aber trotzdem oft nicht.

Simple Fragen, komplexe Antworten

Die Initiative "Leben mit Krebs" - von Zielinski vor mittlerweile zwölf Jahren ins Leben gerufen - will dieses Informationsdefizit füllen und beantwortet Fragen oder nimmt Fragen vorweg, die Patienten bewegen könnten. "Eines der großen Probleme ist, dass wir es hier mit einer sehr komplexen Erkrankung zu tun haben, wo es auf die simpelsten Fragen keine einfachen Antworten gibt", ortet Zielinski Gründe für zahlreiche Mystifizierungen. 

Einfach macht es der Krebs also Patienten und Medizinern nicht. Aufklärungsarbeit ist schwierig und erfordert viel Zeit und Einfühlungsvermögen der Ärzte. Die Therapie ist langwierig und oft mit Einbußen der Lebensqualität der Patienten verbunden. Dinge, die es auch angesichts bestehender Heilungschancen schwer machen, der Erkrankung ihren Schrecken zu nehmen. "Wenn man Krebs in Relation mit Aids setzt, dann wird verständlich, warum die Angst vor Aids in der Bevölkerung deutlich abgenommen hat. Kaum einer stirbt mehr daran, und außer der bloßen Einnahme von Tabletten muss man sich keiner Behandlung unterziehen", zieht Kornek einen Vergleich.

Herausforderung für Körper und Seele

Krebspatienten dagegen müssen Operationen, Chemo- und Strahlentherapien über sich ergehen lassen, die zum Teil mit heftigen Nebenwirkungen verbunden sind. Übelkeit, Mundtrockenheit, Haarausfall und chronische Müdigkeit rücken die Erkrankung oft über Monate in den Mittelpunkt und treiben Betroffene nicht selten in die soziale Isolation. 

Die Verletzlichkeit des Körpers und die eigene Endlichkeit zu akzeptieren ist zudem für die Psyche eine große Herausforderung. Dabei ist der Umgang mit der Erkrankung ganz individuell. Zwischen Verdrängung und aktiver Auseinandersetzung sind alle Spielarten der Bewältigung möglich. "Begleitet und unterstützt werden Patienten und auch die Angehörigen von Psychoonkologen", so Kornek. Problematisch ist nur: Die Ressourcen sind knapp und werden immer knapper. Der Weg bis zur Heilung oder Chronifizierung ist lang, mit einem kurzen Aufklärungsgespräch ist es also in aller Regel nicht getan. "Früher sind die Patienten nach sechs Monaten bereits nicht mehr gekommen, heute begleiten wir die Betroffenen oft über zehn Jahre hinweg. Die Zahl der Krebspatienten hat sich dadurch vervielfacht, die personellen Ressourcen leider nicht", resümiert Kornek und sieht hier neben weiteren Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen ebenfalls dringenden Handlungsbedarf. (derStandard.at, 3.2.2012)