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Nicolas Sarkozy braucht einen Coup - jetzt hat er ihn zunächst einmal.

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Paris - Frankreich prescht bei der Finanztransaktionssteuer vor: Präsident Nicolas Sarkozy kündigte am Sonntagabend die Einführung der Steuer mit einem Satz von 0,1 Prozent ab August an. Außerdem will der Staatschef die Mehrwertsteuer um 1,6 Punkte erhöhen und zugleich die Arbeitgeber um 13 Milliarden Euro entlasten. Frankreich solle so wettbewerbsfähiger werden, sagte Sarkozy.

Frankreich ist das erste Land, das in der Eurozone die Finanztransaktionssteuer einführt. Sarkozy hatte bereits Anfang Jänner angekündigt, die Steuer notfalls im Alleingang einzuheben. Er hoffe, dass sein Schritt andere Länder dazu bringe zu folgen.

In Deutschland stößt eine Einführung der Steuer nur im Kreis der Euroländer in der FDP auf Widerstand. Einen gemeinsamen deutsch-französischen Vorstoß hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Sarkozy in Berlin vor drei Wochen abgelehnt.

Höhere Mehrwertsteuer

Sarkozy zitierte in einem Interview mehrfach das Beispiel Deutschlands, wo die Lohnnebenkosten halb so hoch seien wie in Frankreich. Um Frankreich wettbewerbsfähiger zu machen, sollen die Arbeitsgeber um 13 Milliarden Euro entlastet werden. Zur Finanzierung soll ab Oktober die Mehrwertsteuer von 19,6 auf 21,2 Prozent erhöht werden.

Er hoffe, dass mit Anschaffungen, die die Franzosen vorher noch machen sollen, die Wirtschaft angekurbelt werde, sagte der konservative Staatschef. Als Vorbild nannte er auch die Reformpolitik des früheren deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).

Deutschland wird Sarkozy zunächst nicht bei dessen Vorpreschen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer folgen. Ein Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble verwies auf Vorschläge der EU-Kommission, auf deren Basis Deutschland Klarheit über eine Einführung dieser Steuer auf EU-Ebene gewinnen wolle. Die CSU begrüßte Sarkozys Vorstoß als beispielhaft und drückte aufs Tempo. Die SPD forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, nun ebenfalls unverzüglich zu handeln. Der Bundesverband deutscher Banken dagegen sprach von einem Irrweg.

Opposition und Gewerkschaften sehen in einer Mehrwertsteuererhöhung eine Maßnahme, die vor allem die Unternehmer entlasten soll, während die Arbeitnehmer an Kaufkraft verlieren. Sarkozy will mit sogenannten "Wettbewerbsbündnissen" auch die 35-Stunden-Woche de facto abschaffen. Arbeitnehmer eines Betriebs sollen dadurch ihre Arbeitszeit der Auftragslage anpassen und beispielsweise auch auf Kurzarbeit wechseln können. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist mit fast zehn Prozent so hoch wie seit zwölf Jahren nicht mehr.

Oppostion läuft Sturm gegen höhere Mehrwertsteuer

Die sozialistische Parteichefin Martine Aubry warf Sarkozy in einem Radiointerview vor, er habe zu Beginn seiner Amtszeit die Reichen begünstigt und wolle nun kurz vor Ablauf seiner Amtsperiode die Mittelschicht zahlen lassen. Aubry verwies im Sender RTL darauf, dass die Wettbewerbsfähigkeit auch in Deutschland nicht allein von niedrigen Lohnkosten abhänge. Der frühere sozialistische Premierminister Laurent Fabius hob im Sender Europe 1 hervor, wenn der Präsident wiedergewählt werde, dann werde es eine "Sarkozy-Mehrwertsteuer" geben. Der Wirtschaftsberater des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande, Michel Sapin, kündigte an, dass dieser im Falle seiner Wahl diese Steuererhöhung rückgängig machen würde.

Zahnlose Schmalspurvariante bei Finanzabgabe

Die globalisierungskritische Attac dagegen ist von der angekündigten Finanzabgabe wenig überzeugt. Es handele sich um einen kleinen - allerdings vorrangig symbolischen - erster Schritt auf dem Weg zu mehr Stabilität auf den Finanzmärkten, so Attac-Mann David Walch in einer Aussendung von Attac Österreich: "Postiv ist, dass Frankreich hier die Rolle eines Vorreiters einnehmen will und so der politische Druck auf eine Einführung in der Eurozone steigt. Das Urteil fällt allerdings ernüchternd aus, wenn man den konkreten Vorschlag beurteilt - es handelt sich um eine relativ zahnlose Schmalspurvariante."

Die französische FTT soll laut Attac nur den Aktienhandel und Kreditausfallsversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) erfassen. Völlig ausgenommen seien hingegen der Anleihen-, Devisen-, sowie Derivatehandel. Walch: "Der Sarkozy-Plan bleibt weit hinter den ohnehin schon lückenhaften Vorschlägen der EU-Kommission zurück."

Sarkozy, der seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im April und Mai noch nicht erklärt hat, liegt seit Monaten in Umfragen deutlich hinter dem Sozialisten Francois Hollande. Die jüngste Befragung des Meinungsforschungsinstituts OpinionWay sah den Sozialisten für den ersten Wahlgang am 22. April bei 27,5 Prozent und Sarkozy bei 24 Prozent. Sarkozys Ankündigung wird Ende Februar oder Anfang März erwartet. Auf Nachfragen sagte der Präsident am Sonntag lediglich: "Ich habe ein Rendezvous mit den Franzosen, und ich werde mich dem nicht entziehen." (APA/red, derStandard.at, 30.1.2012)