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Die Musik geht auch dann noch weiter, wenn man getragen wird: Carolin Widman und Edivaldo Ernesto im choreografischen Konzert "Gefaltet".

Foto: APA/BERND UHLIG

Salzburg - Die Tänzerin sieht hinreißend aus in ihrem perfekt sitzenden, hellen Kleid. Sie liest Wolfgang Amadeus Mozarts Brief an seine "Madame Mutter" mit leichtem Akzent und gelassener Stimme: "Gefurzt wird allzeit auf die Nacht / Und immer so, daß es brav kracht." Das ist nicht die einzige ironische Passage in Gefaltet, einem choreografischen Konzert von Sasha Waltz und Mark Andre, das gerade zum Auftakt der diesjährigen Mozartwoche im Salzburger Landestheater uraufgeführt wurde.

Der in so schön körpernaher Sprache abgefasste Brief wurde am 31. Jänner 1778 nach einem gemeinsamen Konzert mit der von ihm verehrten jungen Sopranistin Aloisia Weber geschrieben. Das Vorlesen gegen Ende des Stücks leitet eine Schlüsselstelle darin ein. Kaum ist die Tänzerin Yael Schnell mit dem Brief fertig, bringt der Pianist Alexander Lonquich durch Klopfen auf das Holz neben der Klaviatur seines Flügels dessen Saiten zum Schwingen. Die Tänzerin Zaratiana Randrianantenaina sitzt vor ihm auf dem Instrument und schaut zu.

Hier zeigt sich, worum es geht: um den Austausch zwischen dem deftigen Rauschen hinter Mozarts historischer Musik und der abstrahierten Körperhaftigkeit der Neuen Musik von Mark Andre. Gezielt setzt die Choreografin Sasha Waltz probate Mittel ein, um die Atmosphäre der Verspieltheit aufrechtzuerhalten:

Die Körper der Tänzer sind genauso Klangquellen, wie die Musiker bewegt werden können. Staunen im Auditorium also, wenn der Tänzer Edivaldo Ernesto die Violinistin Carolin Widman hochhebt und über die Bühne trägt, während sie dabei (fast) fehlerfrei weiterspielt.

Insgesamt acht Tänzer und vier Musiker setzen eine ausgeklügelte Dramaturgie um, die mit drei luftigen Mozartstücken einsetzt und erst dann eine Arbeit von Andre anbietet. Das Publikum wird also erst warm massiert, bevor es mit der Herausforderung durch die Welt der Neuen Klänge losgeht. Dabei sind Musiker wie Tänzer in schicke Kostüme von Beate Borrmann gekleidet, und das Licht, wie es David Finn einsetzt, zaubert magische Stimmungen. Und Waltz' Company tritt als multikulturelle kleine Gesellschaft aus sehr individuellen Typen vor ihre Zuschauer.

Tanztheaterhaft modern

Die Handschrift der Berliner Tanzschaffenden ist eingängig und unverschnörkelt, eher tanztheaterhaft modern als experimentell. Passend zu Mozart, aber spannend vor allem bei Mark Andre, dessen feine Klangsetzungen durch Abweichungen von der Norm des Musizierens entstehen.

Bei Gefaltet werden das Klassische und das Moderne jedenfalls so geschickt ineinandergeknickt, dass die beiden einander unterstützen. Und der behutsame, liebevolle Umgang mit den Musikern und Tänzern auf der Bühne erzeugt eine Stimmung nahezu entrückten Behütetseins. Gut, dass diese von Andre mit seinem akustischen Kratzen und von Waltz mit der Entscheidung, Mozart auch "krachen" zu lassen, ein wenig gebrochen wird. (Helmut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 30. Jänner 2012)